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Die Grenzen der Physik

Der Siegeszug der klassischen Physik hat die Welt entzaubert. Die Realität, so die gängige Auffassung, wird von Naturgesetzen geregelt, die letztlich alles erklären können. Doch dieses Bild ist falsch. Viele grundlegende Fragen sind noch immer unbeantwortet. Und die neuesten Erkenntnisse der Quantentheorie weisen sogar darauf hin, dass es eine Realität jenseits von unserer Vorstellung von Raum und Zeit gibt. Virtuos und verständlich eröffnet Gerd Ganteför neue Einblicke in Unstimmigkeiten, Unerklärliches, Zauberhaftes und manchmal Unheimliches im Weltbild der Physik. Ein Buch, das erklärt, was die Physik (noch) nicht erklären kann.

Wir dringen tiefer ins Unbekannte vor und stellen uns Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Wir betreten Bereiche weit außerhalb des Vertrauten und versuchen das Undenkbare zu denken. Manchmal drängen sich einem die Merkwürdigkeiten geradezu auf und dennoch spricht sie keiner an. Ein Beispiel ist die Urknalltheorie, also die Schöpfungsgeschichte Der Physik. Die drei wichtigsten Hinweise auf ihre Richtigkeit sind die Galaxienflucht, die Elementverteilung und die kosmische Hintergrundstrahlung. Aber die Urknalltheorie hat einen gewaltigen Nachteil: Sie kann den Urknall nicht erklären. Man lehnt sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man einer Theorie ankreidet, bei der Erklärung dessen zu scheitern, wonach sie benannt wurde.

Wir tappen außerdem bei fast schon trivialen Fragen im Dunkeln, die einem Physiker Oder einer Physikerin im Beruf oder in der Forschung nie in den Sinn kämen, weil die Sachverhalte so selbstverständlich erscheinen. Die Wissenschaft hat sich daran gewöhnt und hinterfragt sie nicht mehr. Da wären zum Beispiel die vier Naturkräfte: Warum sind es vier und nicht drei oder fünf – oder eine? Oder die Anzahl der Elementarteilchen: Warum gibt es jeweils drei Arten von Elektronen, Quarks und Neutrinos? Eine einzelne würde doch auch reichen. Und wieso kommt die elektrische Ladung nur in Vielfachen der Elementarladung vor? Diese simplen Fragen werden entweder gar nicht erst gestellt oder bleiben unbeantwortet. Die Wissenschaft – abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen – schweigt dazu. Es gibt Versuche der theoretischen Physik, eine Erklärung für die grundlegendsten Beobachtungen zu finden, aber die Modelle verlieren sich nur allzu häufig in mathematisch anspruchsvollen Abhandlungen, die auf Annahmen weit entfernt von jedweder experimentellen Prüfbarkeit basieren. Ein Beispiel wäre die Stringtheorie, die versucht, die grundlegenden Eigenschaften unserer Welt auf die Eigenschaften der Welt des ganz Kleinen zurückzuführen. Danach ist die Materie aus Strings aufgebaut, die eine Größe von rund 10 hoch -35 Metern – um etliche Faktoren kleiner als ein Atomkern – haben. Kein noch so aufwändiges Experiment könnte auch nur hoffen, ihre Existenz in absehbarer Zukunft zu beweisen oder zu widerlegen. Auf viele fundamentale Fragen gibt es also heute keine Antworten, sondern lediglich unfalsifizierbare mathematische Spekulationen.

Der Biologie ging es vor mehr als 100 Jahren ähnlich, als sie vor der Frage stand, warum es solch eine enorme Artenvielfalt auf der Erde gibt. Die Biologen sammelten zunächst alle möglichen Tiere und Pflanzen, katalogisierten und sortierten sie in eine rigide Systematik von Klassen, Ordnungen, Familien und Gattungen ein. Warum es Vögel gibt oder wieso Kamele Höcker haben, konnte man damals aber nicht erklären. Die Forscher mussten die Flora und Fauna so hinnehmen, wie sie sich ihnen präsentierte. Erst als Charles Darwin seine Evolutionstheorie aufstellte, hatte man einen naturwissenschaftlichen Ansatz, die Artenvielfalt und die Eigenschaften der Lebewesen herzuleiten: Jedes Tier und jede Pflanze ist optimal an seinen oder ihren Lebensraum angepasst, weil sie sich im Laufe der Zeit mittels evolutionärer Anpassung in alle existierenden Nischen hineinentwickelt haben. Darwins Evolutionstheorie lieferte eine grandiose Antwort auf die Warum-Fragen der Biologie.

In der Physik liegt eine solche nur für eine Handvoll eng umgrenzter Bereiche vor. Ein berühmtes Beispiel ist die Begründung für die Erhaltungssätze der Energie, des Impulses und des Drehimpulses, drei fundamentale Naturgesetze, die ohne dass es uns bewusst wäre, unseren Alltag in vielerlei Hinsicht bestimmen. Lange Zeit nahm man auch sie einfach hin – bis die heute berühmte Mathematikerin Emmy Noether herausfand, dass die drei großen Erhaltungssätze auf grundlegende Symmetrien des Universums zurückzuführen sind. Es liegt vermutlich in der Natur der Dinge, dass die Begründungen für fundamentale Naturgesetze, so es sie denn gibt, schwer verständlich sind. In dem Bemühen, unsere Wirklichkeit zu verstehen, gerät nicht nur die Physik mit ihren Methoden und Techniken an ihre Grenzen, sondern auch unser Geist. Die Mathematik trägt uns weiter in den Bereich des Fremdartigen, als unsere Kognition Schritt zu halten vermag. Trotzdem versuchen wir immer noch zu „verstehen“. Und das ist auch wichtig, denn nur so sind wir in der Lage, Neues zu erdenken. Wir folgen hier Albert Einstein: „Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“

In der Beantwortung der Warum-Fragen ist die Physik also noch nicht so weit wie die Biologie, aber eine Wissenslücke teilen sie sich zumindest, denn beide Disziplinen haben ein Problem mit dem allerersten Anfang: der Entstehung des Universums und des Lebens, das es bewohnt.

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