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Satt und unzufrieden – das Dilemma der Essensmacher

Die Landwirte hierzulande befinden sich in einem Dilemma: im Dilemma zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen dem Anspruch der Bürgerinnen und Bürger und ihrem tatsächlichen Kaufverhalten. Bauer Willi, Deutschlands bekanntester bloggender Landwirt, erzählt in seinem Buch „Satt und unzufrieden“ vom gesellschaftlichen Klimawandel und dem Artensterben der bäuerlichen Landwirtschaft. Er schreibt über die kritischen Themen wie Massentierhaltung, Nitrat, Pflanzenschutz, Insektensterben oder Gentechnik, erzählt von widersprüchlichen Umfragen, fragwürdigen Studien und der Neigung der Politik, nationale Sonderwege umzusetzen. Mit viel Herzblut wirbt er für einen ehrlicheren Umgang miteinander. Denn es steht viel auf dem Spiel – nicht nur für die Landwirte, sondern auch für die Versorgungssicherheit unseres Landes. Ein unbequemer Kommentar. 

Ich bin Bauer. Konventioneller Bauer, wie die überwiegende Mehrheit der deutschen Bauern. Es dürften rund 90% sein, die so wirtschaften. Doch mein Berufsstand ist in der Defensive. Die Minderheit der Bauern spielt nur noch eine Statistenrolle, nur noch rund ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes kommt aus der Landwirtschaft. Die Wertewelt ist zerrüttet: Discounter kaufen Milch und Fleisch zu Niedrigpreisen ein, Obst von Streuobstwiesen verfault, im Wald vernichtet der Borkenkäfer das Holz und damit das Vermögen von Jahrzehnten. Der Krieg in der Ukraine hat die Lage noch verschärft: Die Brutalität der Einkäufer von Aldi, Lidl, Rewe und Edeka ist noch größer geworden. Wenn Erdbeeren, Spargel oder Kirschen in Deutschland zu teuer sind (auch „dank“ Mindestlohn), werden die Bauern hier ausgelistet und es wird spanisches Obst und Gemüse importiert, dass von nordafrikanischen Wanderarbeitern geerntet wurde. Geiz ist geil, und in Zeiten hoher Inflation für viele sogar eine zwingende Notwendigkeit.

Aktuell genießen Klimawandel und Artensterben höchste politische und mediale Priorität und Aufmerksamkeit. Die Landwirtschaft sei in diesem Zusammenhang nicht nur Täter, sondern immer auch Opfer, heißt es oft mit einem Hauch von Mitleid oder auch Vorwurf. Dabei leiden wir Landwirte weniger an steigenden Temperaturen, gelegentlicher Dürre und ungünstiger Niederschlagsverteilung. Damit wird der Berufsstand fertig, denn die Launen der Natur begleiten uns seit ewigen Zeiten. Nein! Es ist das gesellschaftliche Klima, immer wieder befeuert durch widersprüchliche Umfragen, oft fragwürdige (halb-)wissenschaftliche Berichte, massive Anklagen und maßlose Forderungen, das den Landwirten stark zu schaffen macht. Es verändert das Nachfrageverhalten, es verleitet und legitimiert die Politik, nationale Sonderwege in der Agrarproduktion mit erheblichen Kostensteigerungen vorzuschreiben. Und das bei offenen EU-Grenzen und der weitgehenden Austauschbarkeit der landwirtschaftlichen Rohstoffe. Die Weiterverarbeitung und der Lebensmittelhandel spielen dieses Spiel gerne mit und können sich ihrer Gewinnmarge immer sicher sein. Und die Politik lässt sie gewähren. Wir Essensmacher sollen in diesem Umfeld billige Lebensmittel liefern und gleichzeitig auch noch in mehr Tierwohl investieren. Dieses Dilemma Der Essensmacher kann nicht aufgelöst werden.

Doch nun zu Ihnen, der Sie diesen Text lesen: Bei Lebensmitteln kann jeder mitreden, denn wir essen täglich. Egal, ob wir selber kochen, in der Kantine essen oder schnell ein Fertiggericht zubereiten eines ist klar: Was drin ist in ihrem Essen, stammt von uns, den Bauern, den Essensmachern. Wir produzieren die Lebensmittel für Sie, den Bürger und Verbraucher. Warum ich da einen Unterschied mache? Als Bürger sind Sie mit vielem, was wir (meist konventionellen) Bauern machen, nicht einverstanden. Sie wollen keine Massentierhaltung, keine Gentechnik, keine Monokulturen, keine „Pestizide“ (die wir Pflanzenschutzmittel nennen) und auch sonst stellen Sie viele Ansprüche. Als Verbraucher kaufen Sie wenig regional, wenig saisonal, wenig Bio. Sie kaufen vor allen Dingen billig. In Umfragen antworten Sie jedoch anders. Und das ist mein nächstes Problem: Sie reden anders, als Sie handeln. Da ist es wieder, das Dilemma der Essensmacher.

Die Aufgaben der Landwirtschaft sollen sich ändern. Sie haben sich aber immer geändert und wir haben schon viele Agrarwenden erlebt und gemeistert. Jetzt müssen wir, Essensmacher und Gesellschaft, uns einig werden, was wir Landwirte in Zukunft als primäre Aufgabe haben: sichere und bezahlbare Lebensmittel, mehr Tierwohl, mehr Klimaschutz, mehr Artenschutz. Wir Bauern können alles, es muss nur jemand bezahlen. Und genau da hakt es: Der Bürger stellt hohe Ansprüche, die er als Konsument nicht bezahlen will. Sie merken schon: ein weiteres Dilemma der Essensmacher.

Und dann ist da noch das Wissen der Gesellschaft um die Zusammenhänge und die Zielkonflikte. Das ist der Grund, warum ich dieses Buch geschrieben habe: Ich will Ihnen Zusammenhänge erläutern und Zielkonflikte aufzeigen. Und ich lasse kein kritisches Thema aus. Ich habe einen Teil dieser Themen einmal alphabetisch aufgeschrieben und die Auflistung ist sicherlich noch nicht vollständig. Es geht um die

  • Agrarwende und das Artensterben, um
  • Bienen, Bürger und die Bürokratie, und natürlich auch um
  • Chemie und Cannabis sowie
  • Doppelmoral und doppelte Standards, Dünger und Dürre,
  • Eierpreise, Ethik und Europa. Die Landwirtschaft benötigt
  • Fortschritt durch Forschung. Dazu gehört auch
  • Gentechnik. Natürlich geht es um Gifte und Glyphosat, auch die Götter spielen mit, was taugt der Green Deal und was ist mit der Gülle? Ist ein
  • Haferdrink eine Alternative und kommt
  • iFood auf uns zu, sterben die Insekten?
  • Konsum, Konzerne und Kosten, Krankheiten, Kühe,
  • Lachgas, natürlich alle Lebensmittel und der Lobbyismus gehören zum Themenkreis. Es dreht sich um
  • Marketing, Maschinen und Massentierhaltung, die Rolle der Medien, Methan und Milch sind in der Diskussion, sogar Misereor redet mit über Monokulturen, Moore, Moral und Mythen. Überall beim
  • Naturschutz mischen NGOs sich ein, verteufeln Nitrat und
  • Pestizide. Und die Politik will Produkte und Proteste regeln und versteht die Pupse nicht. Nennen wir noch
  • Raps und Roboter und
  • Schweine, die mehr
  • Tierwohl bekommen sollen. Wichtig die Diskussion um die
  • Umwelt. Es geht auch um
  • Veganer, dazu die vielerlei
  • Wasserfragen nicht nur für den Weizen und zu guter Letzt die Wiederkehr der Wölfe in diesem Spannungsfeld der
  • zahllosen Zielkonflikte.

Sie müssen meine Meinung nicht teilen, aber ich würde mich freuen, wenn Sie sie verstehen. Das wäre schon mal ein guter Anfang.

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