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Die falsche Hoffnung auf die Herdenimmunität

In der Medizin sagt man, die Therapie darf nicht schädlicher sein als die Krankheit. Überträgt man dies auf die weltweiten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, müsste man wohl von einem der größten Kunstfehler der Geschichte sprechen. Die indirekten Kollateralschäden der Therapie stehen in keinem Verhältnis zu den Schäden durch das Virus selbst. Der Journalist und Bestsellerautor Jens Berger zeigt in seinem neuen Buch „Schwarzbuch Corona“ anhand zahlreicher nationaler und internationaler Beispiele, welche Schäden die Corona-Politik verursacht hat und immer noch verursacht. Schäden auf dem Gebiet der Ökonomie, Ökologie und Gesundheit. Schäden, die so unsolidarisch verteilt sind, wie bei keiner Katastrophe zuvor, und die unsere Gesellschaften nachhaltig verändern werden. Berger blickt über den Tellerrand von Infiziertenzahlen und Inzidenzen und richtet den Fokus auf Zusammenhänge, die in der Debatte gerne verdrängt und ignoriert werden.

Der Sommer hat gerade eben erst begonnen und schon steht der Herbst vor der Tür. Zumindest in Sachen Corona. Da die aktuellen Inzidenzwerte ja keinen Grund zur Besorgnis liefern, wird von Politik und Medien lieber die im Herbst erwartete „vierte Welle“ thematisiert und bereits jetzt als Ausrede ins Feld geführt, um die Corona-Maßnahmen einstweilen ganz auslaufen oder zumindest pausieren zu lassen. Bevor die Beschränkungen ausgesetzt werden könnten, müsse ein „Großteil der Bevölkerung eine Immunität gegen das Virus entwickelt haben“, so drückte es das Bundesgesundheitsministerium vor wenigen Wochen in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag aus. Unter einem „Großteil“ versteht die Bundesregierung die vielzitierte „Herdenimmunität“ und die ist nach Aussagen des Bundesgesundheitsministerium erst dann erreicht, wenn 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung gegen das Virus immun sind.

70 bis 80 Prozent von 83 Millionen Einwohnern – das sind 57 bis 66 Millionen Menschen. Und da die Politik darauf aus ist, diese Immunisierung Durch Impfungen zu erreichen und es bisher keinen Impfstoff gibt, der für Kinder und Jugendliche getestet oder gar zugelassen wäre, fallen vorerst ohnehin bereits 14 Millionen potenzielle Impflinge weg. Überträgt man nun die angestrebte Impfquote von 80 Prozent der Bevölkerung auf den Rest, so müsste man 96 Prozent der Erwachsenen gegen Covid-19 impfen. Das ist eine Zahl, die ohne einen rigorosen Impfzwang nicht zu erreichen ist. Eine solchen Impfzwang schließt die Politik jedoch bislang kategorisch aus und es ist auch nicht zu erwarten, dass sich dies vor den Bundestagswahlen im Herbst ändern. Und nachdem die STIKO keine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche erteilen will, wird sich auch an der Zahl der potentiellen Impflinge bis dahin nichts mehr ändern. Wie will man also eine Herdenimmunität erreichen?

Der Begriff Herdenimmunität kommt aus der Veterinärmedizin und beschreibt die vollständige Immunisierung einer eng abgrenzten kleinen Gruppe, also einer Herde, gegen einen Erreger. Eigentlich ist dieses Konzept nicht realistisch auf den Menschen übertragbar, da Menschen sich nun einmal nicht in künstlich begrenzten Clustern wie Herden bewegen, sondern es immer wieder einen – potenziell infektiösen – Austausch zwischen den Clustern gibt. Noch unrealistischer ist es, dieses Konzept für das SARS-CoV-2-Virus anzustreben, da Coronaviren nun einmal zu Mutationen neigen, wie wir es in der Pandemie bereits mehrfach gesehen haben. Das ist übrigens erst einmal kein Grund zur Panik. Evolutionsbiologisch haben Viren nichts davon, ihren Wirt zu töten. In der langen Geschichte der Viren haben sich meist die Mutanten durchgesetzt, bei denen eine erhöhte Infektiosität mit einer geringeren Pathogenität einhergeht.

Das SARS-CoV2-Virus wird daher nicht verschwinden, sich aber sehr wahrscheinlich langfristig an den Menschen anpassen und seine Bedrohung verlieren. Bis dahin wird es aber noch dauern. Es deutet jedoch zum Glück auch nichts darauf hin, dass wirklich so etwas wie eine Herdenimmunität nötig ist, um mit Corona leben zu können. Leider wird dies jedoch von den allermeisten Journalisten und Politikern nicht wirklich verstanden. So liest man beispielsweise beim Bayerischen Rundfunkt jenen folgenschweren aber auch falschen Satz, den man immer wieder hört: „Erst wenn die sogenannte Herdenimmunität erreicht ist, kann sich das Virus nicht mehr ungebremst weiterverbreiten.“ Das ist vollkommener Unsinn, da jede einzelne Immunität die Verbreitung von Viren potenziell bremst, und je mehr Menschen eine Immunität entwickelt haben, desto größer ist die bremsende Wirkung. Es muss nicht zwingend eine Vollbremsung sein. Epidemiologen sprechen hier nicht von einer Herdenimmunität, sondern von einem Herdenschutz.

Wichtig ist diesem Zusammenhang auch, dass sowohl der Herdenschutz als auch eine unrealistische Herdenimmunität keinesfalls nur über Impfungen erzielt werden kann. Eine weitreichende Immunität wird nämlich ohnehin kommen – bei den einen durch Impfung und bei den anderen durch eine durchgemachte Infektion, die aus rein immunologischer Sicht auch „nur“ eine Impfung mit oft schweren Nebenwirkungen ist. Und das ist keineswegs zynisch gemeint. Stand heute haben sich mehr als 3,7 Millionen Deutsche nachweislich mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert und dadurch eine Immunität erworben. Wenn man die Dunkelziffer der nicht erkannten Infektionen konservativ mit dem Faktor Drei ansetzt, sind dies mehr als 10 Millionen Menschen. Ferner gibt es aktuell 28 Millionen vollständig Geimpfte und 44 Millionen Menschen, die eine erste Impfdosis erhalten haben. Grob geschätzt ist also schon mehr als jeder zweite Deutsche in irgendeiner Form immun – hinzu kommen die bis jetzt noch nicht ernsthaft wissenschaftlich untersuchten Menschen, die eine Teilimmunität durch eine zuvor durchgemachte Infektion mit einem anderen Coronavirus erangt haben. Wir haben also bereits jetzt einen ordentlichen Herdenschutz, und er wird von Tag zu Tag durch Impfungen und Infektionen größer.

Es ist zwar richtig, dass sich auf Genesene und Geimpfte in seltenen Fällen noch einmal an Covid-19 erkranken können – dann jedoch nur sehr, sehr selten mit einem schweren Verlauf. Auch die Infektiosität dieser Gruppe ist eher eine theoretische Sache, die zwar für Virologen ein interessantes Forschungsfeld ist, aber für die epidemiologische Betrachtung keine Rolle spielt. Es wird also – aller Voraussicht nach – im Herbst natürlich wieder mehr Infektionen geben; diese werden aber vor allem Kinder und Jugendliche betreffen, bei denen die Krankheit in den allermeisten Fällen symptomfrei oder leicht verläuft und selbst die Ungeimpften werden durch den Herdenschutz der Genesenen und Geimpften sicher nicht das Gesundheitssystem an seine Grenzen bringen und es ist ohnehin fraglich, ob die Maßnahmen sich rechtlich aufrechterhalten lassen, wenn alle Bürger, die vor dem Virus geschützt werden wollen, ein Impfangebot erhalten haben.

Oder um es kurz zu machen: Eine Herdenimmunität ist weder erreichbar noch nötig. Der bereits jetzt vorhandenen Herdenschutz hat die Gefahr durch Covid-19 für die Gesellschaft deutlich gesenkt. Es gibt daher keinen Grund, die Aufrechterhaltung der Maßnahmen von einem Wert abhängig zu machen, der ohnehin keine große Rolle spielt. Es spricht alles dafür, die Maßnahmen und die von ihnen ausgelösten Kollateralschäden nun endlich zu beenden.

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