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Die Beichte meines Vaters über die Herkunft des Bimbes

Woher kam der „Bimbes“? In welchem Umfang Helmut Kohl und die CDU jahrelang auf Gelder aus schwarzen Kassen zurückgriffen, kam vor genau zwanzig Jahren mit einem Paukenschlag ans Tageslicht: Helmut Kohl bestätigte in einem Interview die Existenz von „schwarzen Konten“ in der Partei – wollte aber die Namen der angeblichen vier, fünf Spender nicht nennen, da er ihnen sein „Ehrenwort“ gegeben habe. Woher große Teile der Millionen wirklich kamen, blieb im Dunkeln. Nun erzählt Karl-Heinz Ebert von der Beichte seines Vaters Karl-Anton Ebert, der als Buchhalter an entscheidender Stelle verwickelt war, und von den Ergebnissen seiner eigenen Recherchen. Die lassen tief in ein weit verzweigtes System schwarzer Kassen bei Deutschlands größter Volkspartei blicken und enthüllen einen atemberaubenden Coup aus der Frühphase der Bundesrepublik Ende der 1950er-Jahre. Ein Auszug.

Dieses Buch enthüllt einen bisher unbekannten Baustein des jahrzehntelangen, bis heute nicht vollständig aufgeklärten Skandals um die schwarzen Kassen des Helmut Kohl und der CDU – und es erzählt anhand einiger Stationen die Lebensgeschichte meines 1996 verstorbenen Vaters Karl-Anton Ebert. Was diese beiden Dinge miteinander zu tun haben? Zweierlei. Zum einen ist mein Vater Anfang der 60er Jahre in seinem Beruf als Buchhalter sehr direkt in Berührung gekommen mit einem dubiosen Vorgang, dessen Bedeutung er erst im Nachhinein erkannte. Zum anderen zieht sich ein Thema wie ein roter Faden durch das Leben meines 1904 geborenen Vaters: das Bemühen um Ehrlichkeit und Redlichkeit in einer Welt, die allzu oft den Unehrlichen belohnt und die zur Korruption geradezu ermutigt. Immer wieder stand mein Vater vor der Frage: Hältst du die Klappe und machst mit – oder verweigerst du dich und schadest damit dir und deiner Familie? Zeigst du Regelverstöße konsequent an oder bist du bestechlich? Nimmst du Vorteile in Kauf, von denen du weißt oder ahnst, dass sie fragwürdige Ursache haben – oder schlägst du sie konsequent aus? Er musste diese Frage sowohl während schlimmer Notzeiten als auch im aufblühenden Wohlstand beantworten – und wurde dabei so manches Mal auch zum widerwilligen Komplizen und Mitwisser.

Sein Leben steht in vielem für ein deutsches Jahrhundert – vom Ersten Weltkrieg und der kurzen Blüte der Weimarer Republik über die Weltwirtschaftskrise, den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg bis zur traumatischen Nachkriegszeit, dem nachfolgenden Wirtschaftswunder und der Etablierung der »Bonner Republik« mit ihren Licht- und ihren Schattenseiten. Und so kann die Biografie Meines Vaters beitragen zu einem Sittenbild der Bundesrepublik, zu dem auch die skrupellosen Machenschaften im Zusammenhang mit der illegalen Parteienfinanzierung gehören. Die ungeheure Anmaßung von Parteipolitikern, die meinten, man könne auf Recht und Gesetz pfeifen, wenn Geld zur Sicherung ihrer Macht gebraucht werde, macht fassungslos. Helmut Kohl und sein Umgang mit »Bimbes«, wie er das Machtsicherungsgeld gerne nannte, ist einer der typischsten Vertreter dieser Anmaßung. Aber letztlich unterlagen sie demselben Drang wie viele andere: den eigenen Vorteil zu suchen und dabei die Moral hintanzustellen. Immanuel Kants kategorischer Imperativ, wonach man stets so handeln soll, dass die Maxime des eigenen Handelns zugleich allgemeines Gesetz sein könne, ist leider auch über zweihundert Jahre, nachdem der Philosoph ihn formuliert hat, keineswegs selbstverständlich. Und eine Wirtschaftsordnung, die den Egoismus belohnt und feiert, steht sogar in diametralem Gegensatz zu dieser Richtschnur, die Immanuel Kant uns mitgegeben hat.

Wenn ich über die illegalen finanziellen Machenschaften insbesondere der CDU schreibe, bedeutet das im Übrigen nicht, dass ich damit ihre gesamte Politik missbillige. 70 Jahre Frieden in Europa nach dem Grauen der Weltkriege sind ein Verdienst, das hier nicht geschmälert werden soll; dasselbe gilt für die Wiedervereinigung 1990. Und wenn sich nachweisen ließe, dass diese politischen Erfolge nur möglich waren, indem man das Gesetz brach, wo es um »Bimbes« ging, müsste man wohl sagen, dass hier der Zweck die Mittel geheiligt habe. Aber eine solche These wäre ein Beispiel für die bereits oben erwähnte Anmaßung. Man könnte sich auch resignativ fragen, ob Politik eben so sei und zwangsläufig den Charakter aller verderbe, die damit in Berührung kommen. Aber damit täte man jenen Politikern Unrecht, die anständig bleiben. Ich bin überzeugt: Es gab sie und es gibt sie.

Mein Vater ist erst nach seiner Pensionierung zum »Whistleblower« geworden – und das auch nur mir gegenüber. Mir hat er stets anvertraut, was ihn bedrückte. Er rang sein ganzes Leben lang mit der Frage nach Ehrlichkeit und Moral. Der Aufregung, die die Enthüllung seines Wissens in der Öffentlichkeit und bei den Akteuren der illegalen Geldgeschäfte der CDU ausgelöst hätte, wollte er sich aber auf keinen Fall mehr aussetzen.

Ich habe das, was mein Vater mir 1989 erzählte, damals zwar sehr intensiv und aufgewühlt zur Kenntnis genommen – es aber irgendwann doch in einen entfernten Winkel meines Gedächtnisses geschoben. Erst 2017 war es schlagartig wieder da – weil ich merkte: Ich kenne und verstehe einen Zusammenhang, bei dem selbst der Spiegel im Dunkeln tappte. In dem Artikel ging es um die Spendenaffäre, die in den Jahren 1999 und 2000 das politische (und, wie manche sagen, das moralische) Ende Helmut Kohls einläutete. Unter anderem war die Rede davon, dass die Herkunft von mindestens 20 Millionen Mark ungeklärt sei, die Helmut Kohl während seiner Karriere zur Verfügung standen. Und ich weiß noch, wie ich dachte: Aber das weiß ich doch, wo die herkommen!

Die Hinweise, die ich vor dreißig Jahren von meinem Vater bekommen habe, will ich nun mit der Öffentlichkeit teilen. Mir ist bewusst, dass ich keine gerichtsfesten Beweise vorlegen kann. Wenn mein Buch aber neue und gezieltere Recherchen auslöst, um auch anhand der Erzählung meines Vaters undurchsichtige Machenschaften rund um das »Freie Fernsehen« aufzudecken, wäre mein Ziel erreicht – und das meines Vaters.

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