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Neorassismus im Mäntelchen bürgerlicher Wohlanständigkeit: Die völkische Ideologie der AfD

Was für ein schöner Showdown! „Petry sucht die Entscheidung“, titelte der „Stern“ seine Exklusivgeschichte zu einem Antrag Der Afd-Vorsitzenden Frauke Petry. Und die ganze Medienwelt freute sich schon mal auf den Kampf um die strategische Ausrichtung der rassistischen „Alternative für Deutschland“ beim Parteitag Ende April.

Petrys Plädoyer klang eindeutig: „Die AfD entscheidet sich für den realpolitischen Weg einer bürgerlichen Volkspartei.“ Und manche Kommentatoren folgten dem innerparteilichen Gut-Böse-Schema mit erkennbarem Vergnügen: Frauke Petry, die mehr oder weniger einsame, aber tapfere Kämpferin gegen „trübe Tassen wie Björn Höcke aus Thüringen“, die „die AfD zum NPD-Erben machen wollen, rechtsextrem, rassistisch, völkisch-national“ (Berliner Zeitung).

Da muss man schon mal fragen: Was, bitte, ist Frauke Petry anderes als „rechtsextrem, rassistisch, völkisch-national“? Hat sie sich je von der rechtsextremen, rassistischen, völkisch-nationalen Ideologie ihrer Partei distanziert? War es nicht eine gewisse Frauke Petry, die ausdrücklich eine Rehabilitierung des Begriffes „völkisch“ forderte?

Es wäre gefährlich, sich der von Petry aufgebauten Logik von „Gemäßigten“ gegen „Rassisten“ anzuschließen. Der innerparteiliche Streit dreht sich um Wege zum Erfolg – „fundamentaloppositionell“ oder „realpolitisch“, also radikal im Ton oder anschlussfähig für künftige Koalitionen. Aber um die völkisch-rassistischen Ziele selbst dreht sie sich nicht. Das lässt sich sogar Petrys Antrag entnehmen: „Innerhalb der AfD gibt es unterschiedliche Auffassungen über den strategischen Weg zur Veränderung Deutschlands im Sinne unserer Politik.“

Dass es sich bei dieser Politik im Kern um blanken Rassismus handelt, steht unabhängig vom Ausgang des innerparteilichen Machtkampfes außer Frage, wie ein Blick auf die ideologischen Fundamente der AfD beweist.

In der medialen Berichterstattung hat sich für die Charakterisierung der AfD der Begriff „Rechtspopulismus“ eingebürgert. Aber diese Kategorie ist nicht nur unscharf, sondern stellt  auch eine Verharmlosung dar. Die Ideologie Der Afd lässt sich vielmehr durchaus als rechtsradikal, völkisch oder in Teilen auch faschistisch bezeichnen.

Der Journalist und Buchautor Michael Kraske hat darauf hingewiesen, dass sich die AfD ebenso wie die NPD aus dem Fundus des sogenannten „Ethnopluralismus“ bedient. Kraske fasst dieses „völkische Gesellschaftsmodell“, das sich in der „Neuen Rechten“ schon seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts durchgesetzt hat, treffend zusammen: „Anstatt die Überlegenheit des eigenen Volkes oder der eigenen Rasse zu behaupten, wie das etwa die Nazis taten, konstruiert der Ethnopluralismus ein Recht auf kollektive Verschiedenheit und die Notwendigkeit, möglichst homogene Völker und Kulturen zu erhalten und vor Vermischung zu schützen. Andernfalls betreibe man ,Völkermord‘. Die intellektuelle Modernisierungsleistung […] bestand darin, künftig auf den Begriff der ,Rasse‘ zu verzichten, im Kern aber am Gesellschaftsmodell der alten Rechten festhalten zu können: einem ,Kulturkonzept Deutschland den Deutschen‘, wie der neurechte Publizist Henning Eichberg es nannte.“

An dieser Stelle lässt sich genauso gut auch das Programm der AfD zitieren, in dem die ethnopluralistische Ideologie erkennbar ihren Niederschlag gefunden hat: „Nur die nationalen Demokratien, geschaffen durch ihre Nationen in schmerzlicher Geschichte, vermögen ihren Bürgern die nötigen und gewünschten Identifikations- und Schutzräume zu bieten.“ Michael Kraske fügt hinzu: „In letzter Konsequenz lassen sich mit dem Ethnopluralismus neben Diskriminierung sowohl Apartheid als auch ,ethnische Säuberungen‘ bis zum Völkermord rechtfertigen, denn universale Menschenrechte, die ein entfesseltes ethnisches Kollektiv bändigen könnten, lehnt die Neue Rechte ausdrücklich ab.“

Das also ist der Kern der neorassistischen Ideologie: Nicht (mehr) die Überlegenheit der einen Rasse über die andere steht im Mittelpunkt, sondern die Idee, dass die Konflikte der modernen Gesellschaften durch eine Trennung der – im Prinzip gleichwertigen – Rassen, Ethnien, Religionen oder Kulturen voneinander zu lösen seien. Oder umgekehrt: Die Konflikte gibt es nur, weil sich diese Gruppen im Rahmen der Globalisierung innerhalb der nationalen Gesellschaften vermischen, statt ordentlich voneinander getrennt in ihren jeweiligen Heimatländern zu leben.

Dass diese Auffassungen in diametralem Widerspruch stehen zu einem aufgeklärten Menschenbild, das Personen gerade nicht nach Herkunft oder ethnischer Zugehörigkeit sortiert, liegt auf der Hand. Aber die AfD geht noch einen Schritt weiter: Aus der ethnopluralistischen Ideologie entwickelt sie das Konzept, die Wettbewerbsvorteile einer reichen Nation wie Deutschland zu nutzen, um in national-egoistischer Manier den Wohlstand des eigenen „Volkes“ weiter zu mehren. Dass diese Wettbewerbsvorteile in großen Teilen auf Ausbeutung und Ungerechtigkeit beruhen und bei ihrer Politik auch in Zukunft beruhen würden, interessiert die Neorassisten nicht. Insoweit unterscheiden sie sich übrigens nur begrenzt von Angela Merkel und ihren Gesinnungsgenossen in aller Welt – auch wenn diese Politiker ihr Tun nicht mit neorassistischen, sondern vor allem mit neoliberalen Argumenten begründen.

Zusammenfassend schreibt Michael Kraske zur Charakterisierung der völkischen Ideologie: „Während Journalisten die NPD als rechtsextrem etikettieren, gilt die AfD lediglich als rechtspopulistisch, obwohl nicht nur Björn Höcke sich regelmäßig eines nationalsozialistisch konnotierten Vokabulars bedient (,Altparteien‘, ,entartet‘) […]. Und obwohl sich Partei-Chefin Frauke Petry inhaltlich zu Höcke bekennt und den Begriff ,völkisch‘ wieder positiv besetzen möchte, der hierzulande nach der nationalsozialistischen ,Volksgemeinschaft‘ für immer als erledigt galt.“

Mit anderen Worten: Die Vorstellung, dass in der AfD ein gemäßigter gegen einen rechtsextremen  Flügel kämpfe, geht an der Wirklichkeit vorbei und nutzt nur der Strategie von Petry und ihren Verbündeten, die den Neorassismus in das Mäntelchen bürgerlicher Wohlanständigkeit kleiden wollen. Der Streit innerhalb der AfD geht ausschließlich darum, ob man durch Duldung einer offen neonazistischen Propaganda den äußersten Rand des rechten Spektrums an die Partei binden möchte oder ob man es vorzieht, durch Zurückhaltung in der Ausdrucksweise noch mehr im klassisch konservativen Lager zu punkten. Von der ideologischen Ausrichtung her gilt für alle Teile der AfD gleichermaßen, was Kraske so zusammenfasst: „Die Vorstellung einer durch gleiches Blut gebildeten Schicksalsgemeinschaft hat keine demokratischen Wurzeln, sondern eine lange antidemokratische Tradition: Blut und Boden. Völkischer Beobachter. Volksgerichtshof.“

Stephan Hebel, langjähriger Redakteur der „Frankfurter Rundschau“ und politischer Autor, ist seit fast drei Jahrzehnten Leitartikler und Kommentator. In seinem neuen Buch „Mutter Blamage und die Brandstifter. Das Versagen der Angela Merkel — warum Deutschland eine echte Alternative braucht“ zeigt er unter anderem, wie Merkel den Aufstieg des Rechtspopulismus mitverschuldet hat.

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