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Die Abwertung des Weiblichen - Abschied vom Patriarchat

Macht war (und ist) stets Macht über andere, also mehr oder minder immer Ausbeutung und Unrecht, und zwar nahezu ausschließlich den Schwächeren und Ohnmächtigen gegenüber.

In der Menschheitsgeschichte als einer ununterbrochenen Geschichte der Macht lässt sich zu allen Epochen das unbändige Verlangen des Menschen feststellen, über andere zu herrschen und sie niederzudrücken, sie auszurotten, zu diffamieren und zu degradieren, sie zu verknechten und zu töten. 

In diesem extrem dualistischen Kräfteparallelogramm zwischen Macht und Ohnmacht, zwischen Herrschaft und grausamen Abhängigkeitsverhältnissen gab es stets Verlierer, Menschen also, die den kürzeren ziehen mussten - und darunter waren immer und insbesondere Frauen. 

„Sie schnitten mir mit einer Rasierklinge ein Stück Fleisch zwischen den Beinen heraus - hernach nähten sie mich mit einem Schafdarm regelrecht zu.“ Vorsichtige Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sprechen von 80 Millionen - andere nicht weniger glaubwürdige Statistiken von 130 Millionen! - Frauen und Mädchen, die allein in Nord- und Zentralafrika die schreckliche Erfahrung der Klitorisbeschneidung erleben müssen. 

In Ägypten, so verraten mutige Soziologinnen, sind 70% aller Städterinnen und 90% der Landbewohnerinnen beschnitten. Mehr als 100.000 Mädchen sterben alljährlich an dieser schmerzhaften Tortur. Die fundamentale Abwertung der Frau und des Weiblichen kann kaum einen stärkeren Ausdruck erhalten als gerade in der Verstümmelung der weiblichen Genitalien - sie ist Vernichtung der Frau als Frau in ihrer zu ihrem Wesen gehörigen Sexualität und ein brutaler Schnitt in ihre Seele, die von dieser Verletzung nie wieder heil wird.

Genitalverstümmelung ist ein Akt der Unterdrückung, der Missachtung und Misshandlung, der die Frauen ausgesetzt sind, weil sie Frauen sind. Gegenüber solch widerlichen patriarchalischen Denkmustern muss global propagiert werden: Menschenrechte sind nicht Männerrechte! 

Im Jahre 1793 wurden in Posen die letzten Hexen verbrannt - von wegen Hexenverfolgung im vermeintlich „dunklen“ Mittelalter! Die Erinnerung an Völkermorde an Juden, Armeniern oder Kurden wird in den Medien stets neu aufgekocht - ins Vergessen gedrängt wird jedoch das unmenschliche Spektakel des Hexenwahns, das unbeschreibliche Unrecht millionfachen Mordes an unschuldigen Frauen als angeblich mit Satan selbst liierten Hexen. 

Die Verteufelung des Weibes hat eine lange Geschichte, und schon der männliche Verfasser des Schöpfungsberichts hat für den Beginn der Menschheitsgeschichte im billigen Schuldabwälzungsversuch Adams an Eva den Akkord für die Minderbewertung der Frau angeschlagen: „Die Frau, die Du mir beigesellt hast, sie hat mir vom Baum zu essen gegeben- und so aß ich.“

In diesem Adam-und-Eva-Mythos - die Frau kam als Zweite in die Welt und hat als Erste gesündigt! - liegt die Grundlage für männliche Schuldverschiebung und für weibliche Urschuld. Die Frau (Eva) als Verführerin und als Komplizin Satans, die Gleichsetzung von Eva mit dem Bösen, dies hat schon Tertullian (2. Jhdt) sagen lassen: „Du bist das Tor des Satans ... du hast den Tod verdient, und stattdessen musste der Sohn Gottes sterben.“ 

500 Jahre lang verbrannte man „Hexen“, unschuldige Mädchen und Frauen, Hebammen vornehmlich und weise Frauen, und meinte damit die Urkraft des Eros der Frau, letztlich auch die Urkraft des eigenen Sexualtriebs, den der Mann (und zölibatäre Kleriker) nicht wahrhaben wollte und durfte. Für Folter und Verbrennung waren stets Männer die Denunzianten, Ankläger und Richter, die sadistischen Folterer und Scharfrichter. Schätzungen belaufen sich auf eine bis zu neun Millionen Opfer des Wahnsinns der Hexenprozesse! 

Im Laufe der Menschheitsgeschichte hat man (und dies bis in die Gegenwart hinein) nicht nur einen verwerflichen Dualismus zwischen Mensch und Natur, sondern auch zwischen Frau und Mann aufgetürmt gleichsam als gänzlich unversöhnliche Polarität: böse - gut, minderbemittelt - höherwertig, und dies in totaler Verkennung der unumstößlichen Wahrheit, dass der Archetyp der Frau und des Weiblichen Gott oder dem Göttlichen sehr viel verwandter ist als das Prinzip des Männlichen. 

Denn die Entstehung des Lebens selbst, sein Sterben und seine Wiedergeburt im Laufe der Natur kündet von einem Mysterium, dem die Frau - in Mythos und Geschichte - wesentlich näher steht als der Mann! Nicht nur für den griechischen Philosophen Aristoteles war die Frau ein unfertiger, missglückter und defekter „Mann“, also auf einer tieferen Stufe der Entwicklungsleiter stehengeblieben und in ihrem Entstehungsvorgang entgleist und fehlgesteuert, auch für den großen Theologen Thomas von Aquin war die Frau ein verfehltes und verstümmeltes Männchen, etwas, das nicht in sich beabsichtigt ist, sondern von einem Defekt herrührt. Bernhard von Clairvaux nennt das Weib ein primitives, minderwertiges Geschlechtswesen, ein unvollkommenes Tier(!). 

Die christliche „Frauenfeindlichkeit“ hat letztlich biblischen Hintergrund. Schon im Schöpfungsbericht, Genesis 3 Vers 16, wird ein Akkord angeschlagen, der im Abendland deutlich nachklingt in der Unterdrückung der Frau bzw. in der Vorherrschaft des Mannes: “Und zum Weib sprach Jahwe: Mehren will ich Deine Beschwernis, in Beschwer sollst Du Kinder gebären. Nach Deinem Manne sei deine Begier, er aber soll Dein Herr sein!“ 

Der Gott des Alten Testaments spricht hier die Liebe wie einen Fluch aus: Der Patriarchalismus wird zur ersten Strafe - die Liebe wird sich in ein Machtgefälle verändern. An dem Umstand, dass die Genesis die Frau zur Untergebenen des Mannes gemacht hat, ist das Fatale dies: Es hat sich nicht nur die gesamte abendländische Kultur daran orientiert, sondern diese Aussage hat den Machtanspruch des Mannes, die Zweitrangigkeit und die Nachordnung der Frau hinter dem Manne quasi aus göttlicher Ordnung und Allmacht legitimiert und als natürliche Schöpfungsordnung festgeschrieben. 

Man hat die Bibel immer selektiv gelesen und interpretiert, wobei die Theologen so gut wie ausschließlich Männer waren. So hat denn Genesis 1,27 keine Wirkungsgeschichte gehabt: „Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie.“ Hier ist ganz eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Frau in gleicher Weise an der Gottebenbildlichkeit teilhat wie der Mann - in unmissverständlicher Klarheit formuliert der Text die Gleichwertigkeit, die gleiche Würde und gleiche Stellung der Frau! 

Doch diese Passage verpuffte mehr oder minder im Erbe der jüdisch-christlichen Vaterreligion, wo Gott zum patriarchalisch-dominanten Herr-Gott (Herrscher, König, Heerführer, Weltenlenker, Richter, Herr der Heerscharen etc.) avancierte. Der Mann schuf (sich) Gott nach seinem (eigenen) Bilde, nämlich zum Herrn, zum Herrscher und Patriarchen, und die Männerwelt (Theologie war ohnehin stets das Geschäft der Männer!) stellt(e) sich Gott so vor, wie man(n) sich eben einen Menschen in seiner besseren Ausführung vorstellt, nämlich: als Mann. Wenn die Menschen sich Gott männlich vorstellen, dann sind nun mal alle Männer „gottähnlicher“ als die Frauen! 

Patriarchat ist, wenn Männer (oder die von ihnen geschaffenen gesellschaftlichen Normen) über das Leben und über den Wert der Frauen entscheiden. Es gibt jedoch absolut keinen philosophischen, theologischen oder psychologischen Grund, der auch nur entfernt zuließe, die Höherwertigkeit des Mannes zu beweisen bzw. die Frau oder das Weibliche abwerten zu dürfen. 

Im Gegenteil, die panische Angst der Männer vor Machteinbuße und Machtverlust lässt sagen: Ohne Macht und Penis, nur auf ihr nacktes Menschsein reduziert, bleibt bei vielen Männer verdammt wenig übrig, was einigermaßen begründet Rückschlüsse ziehen ließe auf eine reife und ganzheitliche, auf eine „runde“ = ausgewogene, ausbalancierte und (auch emotional) gesunde Persönlichkeit. Nicht das größere Quäntchen Gehirnmasse, sondern der größere Bizeps schuf den Macho und damit das Bewusstsein der männlichen Höherwertigkeit! 

Wenn bei den männlichen Primaten als den Vorläufern der menschlichen Spezies festzustellen ist, dass sie nie aufgehört haben, von Generation zu Generation - und beim Menschen: von Kultur zu Kultur - die Weibchen zu dominieren und ihre Kampfüberlegenheit in eine Vorherrschaft über das scheinbar schwächere und weniger kämpferische Geschlecht umzusetzen, dann ist hier der eigentlich springende Punkt der: Die Gründe für diese Dominanz lag im (rein) Biologisch-Physiologischen. 

Und das heißt: Von Anfang an waren die Männchen kräftiger gebaut als die Weibchen und daher eher fähig, diese zu schikanieren und zu malträtieren. Dazu kommt, dass in den frühesten Jägerkulturen der Mann deshalb sehr großes Ansehen genoss, weil er auf der Jagd (generell) und im Kampf gegen große und wilde Tiere (speziell) dem Tod die Stirn bot und damit seine Überlegenheit über die Natur bewies: Auf dem Tötenkönnen und Tötendürfen beruhte seine Macht über die Tiere, über die Natur, über die Welt, über die Menschen. 

So blieb denn das Geschäft des Krieges (im engeren und im weiteren Sinne des Aggressiven und Kämpferischen) und damit das Töten bis zum heutigen Tage die Domäne des Mannes, und der Krieg war damals wie heute und im Laufe der gesamten Menschheitsgeschichte das symmetrische Gegenstück zur Mutterschaft, das Gegenstück zum Prinzip der Schaffung und Hege, der Förderung und Bewahrung von Leben! Jedenfalls lässt sich (abseits moralischer Bewertung) mit Fug und Recht behaupten: 

Die Frau ist der bessere Mensch, und zwar insofern, als Frauen in einem sehr viel intensiveren, in einem dichteren, tieferen, umfassenderen und integrativeren Sinne Menschsein verwirklichen als die kopflastigen, auf Kontrolle, äußere Macht und Leistung, auf Zweckrationalismus und Verstandeseinseitigkeit gepolten Männer mit ihrer überheblichen Penis-/Potenzfixiertheit und gockelhaften Überlegenheitsallüre. 

Ein Anfang des Endes des Patriarchats lässt sich erst feiern, wenn die Frauen sich solidarisieren und ihren Wert als Frau erkennen und sich nicht mehr vom Manne her definieren, einerseits, und wenn die Männer sich bequemen, Abschied zu nehmen von Gewinnermentalität und Überlegenheitsallüre und bereit sind zum Machtverzicht und zu einer Art von „Entmännlichung“ im Sinne zunehmender Emotionalisierung, andererseits. Noch immer lehrt man die Söhne, Männlichkeit hieße, nicht weiblich zu sein. Durch dieses Delegieren emotionaler Kräfte im Manne an die Frau hat sich der Mann innerlich selbst enteignet und ist zunehmend verödet. 

Es ist eine eklatante Verkürzung des Menschseins, wenn im Manne die Qualitäten ihrer „anima“, nämlich Verletzlichkeit, Abhängigkeit, Hingabe, Einfühlung, Mitleid und Barmherzigkeit etc. abgespaltet und als weibisch diffamiert werden. Eine Feminisierung des Mannes trägt dem ursprünglichen Primat des Emotionalen vor dem Rationalen Rechnung und weiß, dass wir allesamt emotionale Wesen sind, und dies von frühester Kindheit an. Daher ist es Ausdruck seelischer Reife und ein elementares Stück psychischer Normalität, Gefühle zu haben, sie zuzulassen, sie zu kultivieren und zu zeigen, und sie beim andern anzuerkennen. 

Die zwei Geschlechter sind nicht gleich, kaum ähnlich. Und doch ist Harmonie und Balance zwischen den Geschlechtern insofern angesagt, als beide die femininen und maskulinen Eigenschaften in sich selber (Dur-Moll, Yin-Yang, anima-persona) ausbilden sollen. Man bringe das Weibliche und Männliche ins Gleichgewicht, dann bringt man auf magisch-geheimnisvolle Weise die Welt ins Gleichgewicht. 

Jedenfalls dürfen die Frauen in keinem Falle dem scheinbar unausrottbaren Missverständnis aufsitzen, als ginge es auch nur entfernt darum, zu werden wie die Männer. Wenn schon Transformation, dann keine zu mehr Frau- oder Mann-Sein, sondern nur eine solche zur Ganzheitlichkeit, und damit zu menschlicher Integrität, die keine Wertung, schon gar nicht eine Abwertung von weiblich und männlich zulässt. 

Mehr zum Thema in: Bernhard A. Grimm, „Die Frau - der bessere Mensch. Plädoyer gegen die uralte Abwertung des Weiblichen“, Ephata Verlag, Pfaffenhofen 1999. 

Weitere Publikationen von Dr. phil. Bernhard A. Grimm: http://www.dr-bernhard-grimm.de/

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Presse: Online-Redaktion, Winfried Brumma, München
http://www.wbrnet.info/presse.html

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