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Warum man sich den Model 1 PLAYdifferently Mixer von Richie Hawtin nicht anschaffen muss

Großes Trara im Hype-Net aka Social Media, Richie Hawtin bringt einen Mixer raus und bedient sich der üblichen Methoden, um sein neues Baby Model 1 PLAYdifferently zu promoten. So mit Geheimhaltung, absichtsvoll paar Fotos “geleaked”, nur bestimmte Leute dürfen bei der Präsentation dabei sein. Am Ende gibts auch nur 250 Stück für all jene, die sich beim irrationalen Blindhecheln noch nicht die Zunge verschluckt, mit Richie schon mal ne Bahn gezogen und zufällig 3300 Euro auf der hohen Kante haben. Schnäppchen, der neue Volxmixer! Bis auf natürlich die wichtigen Player am internationalen Techno-Markt wie bekannte Clubs oder Boiler Room, die das Ding vermutlich umsonst oder richtig günstig bekommen, wegen ihrer Multiplikatorenfunktion. Und so durchsichtig das ganze, digitale Kulturindustrie eben cool auf Szene gemacht. Als Bonbon ist ein Allen Heath Typ dabei, von dem man vorher noch nie gehört hat, aber der dem ganzen noch so richtig die letzte Ecke Substanz gibt.

Aber ist das Ding überhaupt das Geld wert und wird es seinem Anspruch gerecht werden, dass DJs anders spielen? Ich meine nein. Und da Hawtin meint ihm wäre hier der ganz große Wurf gelungen und ich im Netz bisher keine kritische Prüfung gefunden habe, folgt nun eine freche Relativierung der ziemlich einseitigen Berichterstattung.

Erstens, definiert sich die Clubkultur seit mittlerweile über 25 Jahren dadurch, dass fertige Tracks von DJs zusammen zu Klangteppichen verbunden werden, die stundenlang die Tänzerinnen und Tänzer zum hypnotischen Raven und Schwoofen verführen. Irgendwann kamen noch Effekte hinzu, und eine ganz eigene kulturelle Praxis des DJings zu elektronischer Tanzmusik war definiert und beherrscht mit diesem kulturellen Prinzip seit Jahrzehnten die Techno- und Housekultur. Streng genommen trugen bereits die DJ-Mixer der 90er (und wohl auch schon davor) technisch dieses Prinzip, was danach kam waren nur kleine inkrementelle Veränderungen – aber vor allem eine Spielweise für Soundnerds. Die Allen & Heath Mixer oder der Funktion-One Hype waren vielleicht die erste geschickt benutzte kommerzielle Spitze der Soundnerderei. Für den Spaß und die Praxis im Club spielt diese Soundnerderei übrigens eher eine untergeordnete Rolle, da mittlerweile jeder Standardmixer und jedes halbwegs gute Soundsystem das kulturelle Prinzip von House und Techno tragen kann und 99% der Clubber den Unterschied zwischen Pioneer und Allen Heath, oder Funktion One und Kirsch Audio eh nicht hören. Soundnerderei ist wohl vor allem die Spielweise der eingefleischten Techno-Tekkis und Marketing-Leute.

Und auch der PLAYdifferently Mixer von Richie Hawtin verändert nichts Substantielles an diesem Prinzip. Er ist vor allem Funktionskosmetik, wie Crossfader raus (macht Sinn für Techno), mehr Kanäle (mal schauen wer das braucht), Kopfhörer Cues links und rechts (praktisch bei B2B und DJ-Wechsel), neues EQing (wird beim alten Bass-raus-Bass-rein-Spielchen bleiben). Anstatt wirklich innovativ zu sein, ist der Mixer eigentlich stockkonservativ und baut zu 99% auf der Ermöglichung des kulturellen Prinzips von House und Techno. Und da nichts wirklich Neues an dem Mixer ist, wird auch kein DJ damit anders auflegen. (Wenn sie oder er das Ding überhaupt mal in die Finger bekommen) Reines Marketing, kombiniert mit Hawtin-Pop.

Zweitens ist das Ding sein Geld nicht wert, weil man bereits für 600 Euro einen gebrauchten Mixer bekommt, der problemlos zuhause oder im Club funktioniert und alle notwendigen (und darüber hinausgehenden) Bedürfnisse erfüllt. Liebe DJs und Clubs, ihr braucht das Ding nicht. Tatsächlich tuts bereits ein Pioneer DJM 800, diverse Denons oder, wenn es etwas robuster sein soll, gerne auch auch gebrauchter Allen & Heath. Ich würde mir n gebrauchten 4-Kanal von Allen & Heath oder Denon zulegen, macht Preis/Leistungsmäßig am meisten Sinn.

Drittens stört mich ziemlich der Marketing-Claim: Da wird suggeriert, dass man erst mal über 3000 Euro (nur für einen Mixer ..!) ausgeben soll, um anders aufzulegen als andere. In einer Musikkultur wie Techno, die ihre innovative Phase lange hinter sich hat, werden gerade junge Leute mit sowas in die Irre geführt und mit zweifelhaften Vorstellungen versorgt.

Aber wer braucht das Ding denn dann? Eigentlich nur einer: Richie Hawtin. Denn der ist seit Jahrzehnten mit der Idee beseelt unbedingt total innovativ sein zu müssen und mit dieser Inszenierung öffentliche Anerkennung und Bookings zu kreieren. Irgendwas ist da mal geschehen, ich weiß es nicht, aber auf jeden Fall muss er immer alles forward pushen. Auch wenn es all zu oft vor allem Selbstmarketing ist. Und seit Jahren quält er sich damit ab, ohne das Prinzip der Clubkultur in den letzten 15 Jahren tatsächlich wirklich im Kern verändert zu haben. Er ist eigentlich vor allem ein gut gebuchter DJ, eine Rampensau, ein erfolgreicher Szeneunternehmer, ein Popularisierer und Mediator zwischen ästhetischer Subkultur und ästhetisiertem neoliberalem Kapitalismus. Und dieses Model 1 ist nur ein weiterer seiner sorgsam organisierten Marketing-Stunts, die ihm Karriere und Anerkennung bescheren, aber die Verführungsqualitäten der Clubkultur nicht pushen werden – obwohl das Marketing es suggeriert.



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