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Jubiläumslauf ins Mittelrheintal: Ingelheim-Waldeck – Bingen – Trechtingshausen (25,4 km)

Frage:
Darf man eigentlich einen Bloggeburtstag feiern, wenn man seit dem letzten Bloggeburtstag quasi nicht mehr gebloggt hat?

Antwort:
Klar darf man, aber Hallo! :-)

Sechs Jahre Laufblog, deshalb wie jedes Jahr am 1.7. ein Jubiläumslauf. Gehört sich so.

Dieses Jahr bin ich auf Heimurlaub in Hessen, das erschwert – aus vornehmlich geografischen Gründen – den ursprünglichen Plan, zum Jubiläum durchs Watt auf eine Insel zu laufen, doch irgendwie ganz immens.
Folgerichtig braucht´s jetzt eine Strecke in/an/um Rhein-Main.
Was Nettes. Gerne auch länger. Und natürlich irgendwohin, wo ich noch nie gewesen bin.
Zuuuum Beispiel… ..
…das Mittelrheintal.
UNESCO-Welterbestätte, verdammt hübsch und relativ nah am Rand des Heimstreckennetzes, und wenn man´s linksrheinisch machtt, gibt´s als Bonus noch den Hunsrück als neu erlaufenes Mittelgebirge gratis dazu.

Perfekt, das wird der Jubiläumslauf.
Konkret: Vom Bismarckturm auf der Waldeck über Ingelheim (wo ich vor eindreiviertel Jahren die Durchquerung Rheinhessens perfekt gemacht habe) westwärts durch die offene rheinhessische Hügellandschaft südlich des Rheins bis Bingen, dort dann über die Nahe, in die ersten Hunsrückausläufer und an den Steilhängen über dem Binger Loch ins Mittelrheintal, via Burg Rheinstein nach Trechtingshausen am Westufer des Rheins.

Tolle Strecke, das ist schon vorher klar. Abwechslungsreich, weil mit zwei sehr verschiedenen Landschaftstypen.
Und sehr wahrscheinlich weit und anstrengend.
Wie weit genau, das checke ich vorher nicht. Wieviele Höhenmeter sie hat hat auch nicht.
Ganz bewusst. Einfach mal gucken, ob ich das noch kann… :-)

Ausgangspukt ist der Bismarckturm auf der Ingelheimer Rheinhöhe:

Bild 1: Bismarckturm

Hier gibt´s einen kleinen Parkplatz vor dem Bergrestaurant (das Tiger hält. Ehrlich jetzt. Hat heute aber geschlossen, deswegen keine aktuellen Tigerfotos), eine wunderbare Aussicht ins Rheintal…

Bild 2: Im Vordergrund, das ist Ingelheim, den Rhein dahinter sieht man kaum, und auf der anderen Seite liegt dann der Rheingau. Schön!

…und den Vorteil, dass ich oben anfangen und erstmal bergab laufen kann.
Was angesichts von praller Nachmittagssonne und Temperaturen um die 30 Grad gar nicht so unwillkommen ist.

Nochmal kurz in mich gehen.
Beine – gut.
Laune – gut.
Trinkgürtel – sitzt.
Laufmütze – in Oldenburg vergessen, deswegen heute mit ebenfalls blauem Ersatz:

Bild #3: “Nike Golf”. Klingt arg nach hochgeschlagenen Polohemdkragen, aber was willste machen…?

Passt scho´.
Und Start!

Am Turm vorbei, 50 m. talwärts in Richtung Ingelheim…

Bild #4: Abwärts. Geht gut.

…dann links auf einen staubigen kleinen Weg, der unterhalb des Bismarkturms…

Bild #5: Bismarckturm von vorne

…in ein dichtes, schattiges Wäldchen an der Seite der Hügelkuppe führt. Deutlich kühler als in der Sonne, schön zugewuchert…

Bild #6: Wucheriger Hangwald, hachja. Sowas hat man im Nordwesten ja soo selten

…und leicht verworren, so dass ich es schaffe, mich noch vor der ein-Kilometer-Marke zum ersten Mal Ein Bisschen zu verirren – irgendwie erwisch ich einen falschen Pfad…

Bild #7: Aber mal im Ernst: Wer kann denn bitte auch so einem Tunnel durchs Unterholz widerstehen?

…der mich nicht wie geplant am Aussichtspunkt Richardshöhe über Gau-Algesheim deponiert, sondern vor einem Tor mit der Aufschrift “Privatweg für Unbefugte verboten”.
Da ich mich in der Tat wenig befugt fühle, muss ich wohl oder übel umkehren und mein Glück mit der letzten Abzweigung versuchen.
Macht aber nix, die Lauferei lässt sich nämlich ausgesprochen prima an – auch wenn ich in den letzten Monaten nicht gebloggt habe, bin ich zumindest ein bisschen mehr zum Laufen gekommen, vor allem jedesmal, wenn ich in Hessen war (Anfang April hab ich aus dem Stand den Odenwald von Norden nach Süden in einer Woche mit über 90 km durchquert, seitdem läufts ganz gut), entsprechend bin ich gar nicht soooo unfit untwewegs.

Umkehr und Abzweigung erweisen sich als richtig, kurz darauf erreiche ich auf leicht verschlungenen Pfaden die Richardshöhe, die auf meiner Wanderkarten mit einem Aussichts-Strahkensymbol gekennzeichnet ist:

Bild #8: Schutzhütte an der Richardshöhe

Der Grund für das Aussichtssymbol liegt übrigens direkt hinter der Hütte:

Bild #9: Blick ins Rheintal von der Richardshöhe. Direkt am Fuß des Hügels liegt Gau-Algesheim (keine Angst, das sehen wir gleich noch etwas näher), dahinter der letzte Zipfel Rheinhessen bis zum Rochusberg bei Bingen (auch der liegt auf dem Programm), und am Horizont erheben sich dann Rheingau (eher rechts) und Hunsrück (eher links), feinsäuberlich getrennt durch die große Rheinkehre am Binger Loch, auch bekannt als “Die Stelle, wo der Oberrhein zum Mittelrhein wird”.


Bild #10: Apropos Rheinkehre – hier ist sie nochmal in Groß. Die Tatsache, dass ich sie nur mit maximalem Digitalzoom fotografieren kann, gibt mir ein bisschen zu denken. Das sieht verdammt weit aus, und ich will ja nicht nur hin, sondern auch noch drumrumlaufen…

Von hier aus: Abstieg.
Schön bequem auf einem lokalen Wanderweg…

Bild #11: …nämlich dem “Rundweg Gau-Algesheimer Kopf”…

…talwärts, durch eine struppig-sonnige Gebüschlandschaft am Hang…

Bild #12: Nordwesthang, deswegen stehen hier keine Weinstöcke

…bis zum oberen Ortseingang von Gau-Algesheim:

Bild #13: Ortseingang am Herzenacker

Ein klassisch (Nord)rheinhessisches Ortsbild: Oben an den Hängen die neueren Baugebiete mit freundlichen Einfamilienhäusern in kleineren und größeren Gärten, je weiter man abwärts kommt, desto älter und enger werden die Häuser, bis hin zum alten Ortskern, der dann meistens am Wasser in der Senke liegt.

Ich folge dem Herzenacker weiter abwärts durchs Wohngebiet und wechsle dann auf Höhe der Goethestr…

Bild #14: Goethestr. in Gau-Algesheim

…auf die Neugasse, die mittenrein ins Gewirr der Altstadtgässchen führt:

Bild #15: Neugasse

Gar nicht so einfach, hier kurs zu halten – engen Straßen zwischen den alten Häusern winden sich nach links und rechts, die Wanderkarte im Maßstab 1:beinaheunbrauchbar (aka 1:40 000) ist zur Ortsnavigation wenig zu gebbrauchen. Zum Glück steht der typisch rheinhessische Ort ja voller markanter Navigationspunkte in Form von Kirchen (ehrlich, so viele wie hier hab ich bisher noch nirgendwo in Deutschland gesehen), auch in Gau-Algesheim ist das nicht anders, das hilft ungemein beim Richtung halten.
Konkret:
Einmal halblinks an der zentralen Kirche (“St. Cosmas und Damian”) vorbei in die Schlossgasse…

Bild #16: Schlossgasse

…dann an der nächsten Kehre nadelscharf rechts in den Kreuzhof…

Bild #17: Kreuzhof

…und nochmal an St. Cosmas und Damian vorbei…

Bild #18: Ganz schön groß das Ding

…bis auf den Marktplatz:

Bild #18: Viel los ist hier nicht. Wahrscheinlich halten die Gau-Algesheimer angesichts der prallen Sonne samt entsprechenden Temperaturen Siesta im Schatten…

Von hier aus ist es dann wieder sehr unkompliziert – einfach weiter westwärts, auf der Hospitalstr. bergauf, zur anderen Seite des Ortes und der Talmulde, dort dann an einem Altersheim vorbei auf dem “Wein- und Panoramaweg” in die Weinberge.

Eine weite Hügelflanke und zwei bis drei Kilometer bis zum nächsten Ort, Ockenheim.
Durchgängig Weinlagen am (sehr) flachen Hang. Das ist einerseits verflixt hübsch, an so einem wunderschönen Sommertag…

Bild #19: Blauer Himmel, weiße Wölkchen, Grüne Reben. Mögenswert!


Bild #20: Die Gegend ist ja sowas wie der Hinterhof des Bistums Mainz. Das sieht man…


Bild #21: Blick zurück, über die Reben bis zur Hohen Wurzel bei Wiesbaden


Bild #22: Der Jakobsberg, an dessen Flanke ich nun entlanglaufe. Oben soll´s ein altes Kloster und eine tolle Aussicht geben. Sehr verlockend, aber den Umweg und die Höhenmeter mag ich heute nicht riskieren – wer weiß, was noch kommt…


Bild #23: Wildblumen zwischen den Rebenreihen. Hübsch.


Bild #24: Nochmal der Rochusberg vor Bingen und der Rheinkehre – so richtig viel näher sieht der irgendwie noch nicht aus…

Andererseits darbe und brutzle ich aber bereits nach den ersten paar hundert Metern ordentlich vor mich hin.
Weinberge sind nun mal dazu da, Hitze zu speichern, was diese hier auch ganz hervorragend leisten. Und das dann auch noch in der waldärmsten Gegend Deutschlands, wo weit und breit kein Fetzchen Schatten zu finden ist, das ein bisschen Schutz vor der sengenden Hochsommersonne bietet.

Bild #24: Okay, das ist nicht ganz richtig – der Wein spendet natürlich Schatten. Aber irgendwie reicht eine 1,50 m. hohe Rebe bei hochstehender Sonne nicht aus, mehr als nur die Knie zu beschatten – und die habens nicht wirklich nötig

Kurzum: Die Überquerung der Jakobsberg-Flanke erweist sich als extrem heiße, schweißtreibende und staubige Angelegenheit:

Bild #25: Immerhin, sorgen um verschlammte Beine muss ich mir erstmal nicht machen…

Puuh!
Zum Glück hab ich heute den Trinkgürtel samt (seit zwei Jahren abgelaufener – muss unbedingt mal neue Kaufen) Isoplörre dabei.

Bild #26: Pisswarm und ein bisschen muffig, hat sonst aber keine negativen Nebenwirkungen
Tut gut, dass ich allerdings nach bestenfalls einem Fünftel der Strecke schon an die Plörre muss, ist ein wenig besorgniserregend. Muss ich gut rationieren.

Nächster Ort:

Bild #27: Ockenheim

Zweieinhalbtausend Einwohner, wieder ein alter Ortskern, angeordnet an einer langen Dorfstraße mit dicht an dicht stehenden Wohnhäusern direkt am Gehweg.
Ich bin heilfroh drüber, hier gibt´s endlich ein bisschen Schatten, den ich bitter nötig habe.

Ich laufe über die Mainzer Str. ein, biege dann rechts ab und folge der Bahnhofstr. einmal längs durchs Dorf…

Bild #28: Banhofstraße in Ockenheim – auch hier: Siestaruhe

…bis zu einem Kreisel im Norden Ortes, dort dann neben der Kreisstraße 11 weiter in Richtung des etwas außerhalb liegenden Ockenheimer Bahnhofs.

Bild #29: Richtung Ockenheimber Bahnhof!

Hier ist wieder Schluss mit Schatten, die Sonne brennt gnadenlos auf den staubigen Weg zwischen Dorf und Feldern und alles was sich auf diesem Weg bewegt (= mich!):

Bild #30: Aargh, so eine #§@~%$ Hitze!!!

Kurz vor dem Bahnhof links, Kurs westwärts, weg von der Straße und wieder mittenrein in die Felder und Weinberge, der Markierung des Rheinhöhenwegs hinterher (auch wenn es hier zwischen den Hügeln nicht besonders hoch ist…).
An der Abzweigung ein Fahrradwegweiser: “Bingen Zentrum 6,irgendwas Kilometer”.
Natürlich alles durch offenes Gelände und Bruthitze. Oh je…

Fotografieren tu´ ich erstmal nicht mehr viel. Bin zu sehr damit beschäftigt, zu schwitzen, vor mich hinzugrillen, und mich zu fragen, warum ich mir ausgerechnet so eine Strecke für den ersten richtigen Hochsommertag des Jahres aussuchen musste.
Ist ja nicht das erste Mal, dass ich unter dem Rheinhessischen Sommer leide, aber nach der vielen Zeit im frischen, kühleren Norden haut das nochmal extra rein.

Die zweite Isoplörre nehme ich an einer etwas dichter bewachsenen Bahnbrücke im Nirgendwo:

Bild #31: Inzwischen bin ich für jedes Fetzchen Schatten dankbar.

Uuund weiter westwärts, über Gleise…

Bild #32

…und Schnellstraßen…

Bild #33

…zum Fu0 des Rochusbergs.
Die gute Nachricht: Direkt dahinter liegt Bingen.

Bild #34: Aaargh. Jetzt nicht nur weiter durch die sengende Tropensommersonne, sondern das auch noch bergauf. Ich wiederhole: Aaargh!

Die nicht ganz so gute:

Bild #35: Noch dreieinhallb verdammmte Kilometer?!? Ich wiederhole wiederholt: AAARGH!

Hilft nix, muss ich rüber. Auf die ersten Meter fällt´s überhaupt schwer, die Steigung ist minimal, dazu weht eine leichte, herrlich kühle Brise vom Rhein rüber.

Aber natürlich bleibt´s nicht dabei.

Zuerst hört die Brise auf. Ohne Wind wieder gefühllte 50 (miiiindestens!!!) Grad im Schatten.
Dann wird´s steiler, erst unmerklich, dann sehr merklich – je weiter es nach oben geht, um so größer wird die Steigung:

Bild #36: Hrglnnnnfhhrrrhhhhhhh

Und dann will und will der Anstieg auch noch nicht aufhören. So ein knapper Kilometer kann ganz schön lang sein, wenn man als Dörrobst auf Beinen unterwegs ist.

Auf der Haben-Seite gibt´s immerhin Aussicht. Und zwar reichlich und zwar schön. Rechts unten kommt nämlich langsam wieder der bisher durch Bäume und Hügel verdeckte Rhein zum Vorschein…

Bild #37: Das Rheintal von der Flanke des Rochusbergs aus gesehen: Unten am Ufer der Binger Ortsteil Kempten, im Fluss davor die Rheininsel Ilmenaue, gegenüber Geisenheim und der Rheingau, am Horizont dahinter der Hochtaunus

…gesäumt von diversen Kirchen auf diversen Anhöhen:

Bild #38: Abtei St. Hildegard über Geisenheim


Bild #39: Rochuskapelle auf dem vorderen Teil des Rochusbergs

Noch besser: Eine Wasserpumpe am Wegrand – ein bisschen Abkühlung. YAAA…

Bild #40: …AAAaaayyy öh.

Ach nee, doch nicht. Kommt kein Wasser raus.

Bild #41: Ach egal. Dann brate ich halt noch ein bisschen vor mich hin. Mir doch egal.
Möh.

Die letzten Meter Weinberge sind entsprechend schleppend:

Bild #42: Aber weiterhin hübsch

Zum Glück ist es nicht mehr weit, dann bin ich
a) oben
und
b) in Bingen.
Naja, zumindest ein bisschen in Bingen. Stadtrand auf dem Bergrücken, praktischerweise eindeutig gekennzeichnet:

Bild #43: Das Tor nach Bingen

Ab jetzt: Erstmal abwärts. Geradeaus den steilen Hang des Rochusbergs zum Rheintal hin runter in die Stadt.
Ach nee, obwohl, lieber doch nicht. Links geht nämlich ein kleiner Fußweg von der breiten Rochusallee ab und führt an der Bergkante über der Stadt entlang.
Und der sieht nicht nur nett aus, sondern ist auch Baumbestanden.
Mit Kastanien.
Sprich: 1A-Schatten!!!!
Da sachste net Nein, besonders nach den vielen Kilometern in der prallen, prallen Sonne.
Also erstmal: Links:

Bild #44: “Am Schützenweg”

Tut unheimlich gut, aus der Sonne rauszukommen. Jetzt nur noch ne kalte Cola (noch nicht in Sicht, aber bis runter in die Stadt samt ihren zweifellosreichhaltigvorhandenencolaeinkaufsmöglichken ist es ja nicht mehr weit), dann geht das schon wieder.

200 m. Schützenweg, dann biege ich halbrechts ab, bergab auf einen Spazierweg im steilen, bewaldeten Hang über Bingen:

Bild #45: Übrigens gut markiert mit Nummern lokaler Spazierwege. Ich folge der 8. Oder der 3. Oder der 8 und der 3. Nicht ganz sicher.

Toller Weg. Relativ eben im schattigen Wald über der Stadt, zwischendurch immer wieder kleine oder größere Lücken zwischen den Bäumen, durch die man Blicke auf Bingen, den Rhein und den Rheingau auf der anderen Flussseite erhaschen kann:

Bild #46: Aussichtspunkt


Bild #47: Binger Skyline


Bild #48: Die Rheinkehre am Binger Loch – da muss ich noch rum


Bild #49: Burg Klopp, die Binger “Stadtburg” über dem Rhein


Bild #50: Die Germania auf dem Niederwalddenkmal über Rüdesheim am Nordufer

Der Weg ist einen knappen Kilometer lang, dann senkt er sich langsam abwärts in Richtung Rheintal und Binger Innenstadt:

Bild #51: Bergab ist ja (fast) immer gut… :-)

Und dann bin ich so richtig in Bingen. Auch hier erstmal weiter abwärts auf der Waldstraße, vorbei an Friedhöfen mit ermunternden Torinschriften…

Bild #52: Memento Mori

…und häuserzeilen, die irgendwie nach einer deutlich größeren Stadt als dem 20 000-Seelen-Ort Bingen aussehen…

Bild #53: Noch ´ne Straßenbahn dazu und das hätte fast was von San Francisco

Am unteren Ende der Waldstraße eiere ich kurz rum, links in die Schlossbergstraße, dann rechts in die Mariahilfstraße. Ziel: Burg Klopp.
Wenn der Binger an sich schon sowas in der Stadt stehen hat, sollte man sich´s schließlich auch angucken:

Bild #54: Die hohen Teile von Burg Klopp

Über einen staubigen Parkplatz (die Burg beherbergt ein Restaurant und die Stadtverwaltung, da braucht´s offensichtlich viel PKW-Abstellfläche) und das Burgtor auf den Hof.
Schöne Anlage – gepflegt und grün, mitten in der Stadt, auf einem steilen Hügel über dem Stadtkern, und folgerichtig einem schönen Blick auf die Umgebung:

Bild #55: Terrasse vor dem Bergfried


Bild #56: Bingen-Panorama. Die Stadt ist so ein bisschen ins Tal der Nahe genestelt, die hier in den Rhein mündet. Links der Römerberg, schräg davor die Klippen über der Nahe im Stadtteil Bingerbrück, rechts an der Kirche dann der Stadtkern, und ganz rechts der Rhein (in dem man beim genaueren Hinschauen sogar den Binger Mäuseturm erkennen kann, in dem der legende nach ein geiziger Bischof von Nagetieren aufgefressen worden sein soll). Dahinter dann die ersten bewaldeten Hunsrück-Hänge über dem Mittelrheintal – da will ich noch hin…

Noch besser würde man das alles wahrscheinlich vom Burgturm erkennen, der ist nämlich richtig schön hoch:

Bild #57: Bergfried von Burg Klopp von unten

Dummerweise liegt die Betonung ganz eindeutig auf würde – ist inzwischen nämlich viertel nach sieben, und das ist in Bingen zu spät für Aussicht:

Bild #58: Pöh!

Bleibt mir nichts anderes übrig, als mich nochmal kurz umzusehen…

Bild #58: Klopp´scher Burghof

…und mich dann auf einer Treppe im Wein- und Rosenbewachsenen Hang unterrhalb der Burgmauern auf den Weg runter in die City zu machen:

Bild #59: Und wieder mal: Abwärts. An sich ja weiterhin ganz schön, allerdings ist ja bekanntlich jeder Höhenmeter, den man VOR dem höchsten Punkt der Tour verliert, einer, den man sich später wiederholen muss…


Bild #60: Durchgang am Fuß der Treppe auf den (etwas langnamigen) Bürgermeister-Franz-Neff-Platz

Downton Bingen – ein großer gepflasterter Platz mit einem Brunnen und einer Wasserrinne, an den Platzrändern sitzen ein paar Menschen vor den Cafés und Restaurants, sonst ist wenig los. Sommerliche Montagabendstimmung. Ich will in Richtung Rhein, als grob geradeaus, in die Fußgängerzone.
Bingen ist ehrlich gesagt ein bisschen… weniger pittoresk, als ich das erwartet hätte. Irgendwie klingt der Name ja nach Rheinromantik und Mittelalter, tatsächlich sind die Häuser hier im Stadtkern aber eher neu und nicht alle so richtige Hingucker.
Andererseits: Hier gibt´s geschäfte, und ein paar haben sogar noch auf.
Das trifft sich gut, denn nnach der Hitzeschlacht auf dem Weg hierher hab ich immer noch brennenden Durst (und trau mich weiterhin nicht an die letzte Isoplörre. Wer weiß, was noch kommt).
Bei einem kleinen türkischen Supermarkt in der Hasengasse gibt´s Abhilfe: Ein Griff in den Kühlschrank, ein kurzer, netter Plausch mit dem Inhaber (der nicht so recht glauben will, dass ich so blöd war, bei der Hitze von Ingelheim hierherzulaufen), dann bin ich um ein herrliches, eisig-erfrischendes Kaltgetränk reicher:

Bild #61: Cola gabs nicht in kalt, aber ein halber Liter Apfelschorle tuts auch.
AAAAAAAH. TUT. DAS. GUT!!!

Weil eh schon Pause ist und ich Zucker und Kühlung weiter gut gebrauchen kann und ein paar Meter weiter ein gut besuchtes Eiscafé ist, schieb ich auch noch ein Eis hinterher.
Man gönnt sich ja sonst nix…

Bild #62: Stracciatella und Cookies

Danach: Weiter. Inzwischen geht´s auf halb acht, und ich hab noch einen ordentlich weiten Weg vor mir.
Rheinwärts, durch die Amtsstraße zur Uferpromenade am Fruchtmarkt, kurz in einem Unterführungslabyrinth verirren…

Bild #63: Rausfinden ist nicht das Problem. Aber das Richtige “Raus” finden”…

…und schließlich auf der Straßenbrücke über die Nahemündung auf die andere Seite der Nahe:

Bild #64: Links die Nahe…


Bild #65: …rechts der Rhein

Das erste Ziel der Tour hab ich damit erreicht, denn Rheinhessen ist hier offiziell zu Ende – hinter der Nahe beginnt der Hunsrück, und damit ein nigelnagelneues Mittelgebirge, in dem ich vorher noch nie gelaufen bin.
Großartig! :)

Auch wenn der erste Eindruck zugegebenermaßen nicht ganz das ist, was ich bei “Hunsrück” im Hinterkopf habe.
Binger Stadtteil Bingerbrück, auf den ersten Blick eine Mischung aus Gewerbegebiet und Brachfläche voller Gleisbetten, ergänzt durch eine Prise sozialer-Brennpunkt-Atmosphäre (okay, das ist jetzt ein bisschen unfair – die netteren Teile von Bingerbrück sitzen ein bisschen höher am Berg, hier unten auf Uferhöhe ist halt nicht viel…).

Ab hier gibt´s eine klare Markierung, an die ich mich halten kann – der Rheinburgenweg, ein stilisiert-flussartiges R mit einem Schlosstürmchen dahinter.
Das führt mich erstmal ein Stück zwischen den Gleisen bis zum Binger Hauptbahnhof…

Bild #66: In die Hänge da hinten muss ich gleich rein – sieht steil aus…

…dann über eine breite Treppe (Puuh!) auf eine Fußgängerüberführung…

Bild #67: Ich versuche, beim Stufenjoggen “Eye of the Tiger” in meinem Kopf ablaufen zu lassen, aber das geht unter meinem pfeifenden Japsen unter…

…die mich über die Gleise und in die Oberstadt führt.

Ab hier gibt´s dann nur noch eine Richtung:

Bild #68: Bergauf…


Bild #69: …bergauf…


Bild #70: …und (röchel!!!): Bergauf!

Der Aufstieg ist echt lang. Die ersten knapp 500 m. geht´s durch Bingerbrück, auf der Prinzenkopfstraße den Berg hoch, vorbei an Arbeiterwohnviertelhäuschen, Einfamilienhäusern und Bausünden:

Bild #71: Da ist noch ein bisschen Luft nach oben, so rheinromantikmäßig…

Kurz vor dem oberen Stadtrand am Hang gönne ich mir noch einmal Verlaufen inklusive Falsch Abbiegen und In Einer Sackgasse Landen – (aber das wenigstens ohne Steigung), dann lasse ich Bingen hinter mir und laufe auf dem asphaltierten Heilig-Kreuz-Weg in den Binger Wald ein.
Natürlich weiterhin…

Bild #72: …bergauf!!!

Das fällt ehrlich gesagt schon ziemlich schwer, jetzt.
Auch wenn ich´s vor Ort nicht weiß, inzwischen bin ich bei Kilometer 16 angekommen, und so ganz unbeeindruckt habe ich die wabernde Hitze über den Weinbergen dann doch nicht überstanden – die Steigung fällt schwer. Gottseidank ist der Himmel zugesuppt und die Bäume spenden zusätzlich Schatten und Kühle, so dass meine protestierenden Wadenmuskeln und Lungen sich wenigstens nicht mehr mit Hitze abplagen müssen.

Aber hilft ja nix. Keuchend stampfe ich die Straße weiter aufwärts, in grob westlicher Richtung am Hang des Hartbergs über dem Rheinknie entlang:

Bild #73: Sport soll ja auch ein bisschen weh tun. Folgerichtig: Au.

Nur gut, dass es rechterhand zwischen den Bäumen immer mal wieder genug Qualitätsaussicht gibt, um ein kurzes Anhalten und Rheintalgucken zu rechtfertigen.
Je nach Lage mit Rückblick…

Bild #74: Blick zurück Rheinaufwärts über Bingen. Im mittigen Mittelgrund die Gleisanlagen am Hauptbahnhof samt der Überführung, die mich in die Bingerbrücker Oberstadt gebracht hat, dahinter Downtown Bingen mit Burg Klopp, eingerahmt vom Rochusberg. Im Rhein die Inseln Rüdesheimer Aue und Ilmenhaue, am Nordufer die steilen Weinterrassen östlich von Rüdesheim, darüber die Germania

…Seitenblick…

Bild #75: Die Ruine Ehrenfels auf der rechten Rheinseite, genau über dem Binger Loch

…oder Vorausblick:

Bild #76: Das erste Stück Mittelrheintal, direkt hinter dem Rheinknie. Am Ufer erst Burg Rheinstein, dahinter Burg Reichenstein. Sehr pittoresk, aber auch leicht beunruhigend – mein Ziel liegt nämlich hinter der nächsten Flusskehre – und die ist, wie man unschwer erkennen kann – noch ein fettes Stück weit weg.

Irgendwann biegt der Rhein-Burgen-Weg halbrechts von der asphaltierten Straße durch den Wald ab, ich hinterher.
Bequemer Pfad, schön weich und deutlich weniger steil.
Tut gut, zumal der Wald hier wirklich schön ist – dicht, gemischt und abwechslreich:

Bild #77: Rhein-Burgen-Weg am Prinzenkopf

Die Aussichtspunkte werden allerdings weniger, einerseits weil hier alles dicht bewachsen ist…

Bild #78: Laut Wanderkarte hat man hier am kleinen Rheinberg einen 270-Grad-Rundumblick. Die Realität kontert mit dichtem Gestrüpp. Ich verzichte auf den Abstecher…

…andererseits weil der Weg langsam aber sicher vom Rheintal wegknickt, südwestwärts um ein tief eingeschnittenes Seitental herum, das mich zum Forsthaus Heiligkreuz führt, einer freundlichen Waldgaststätte mitten in der (gefühlten) Wildnis, die mein fiebrig-angestrengtes Hirn insgeheim zum nächsten Colapausen-Ort auserkoren hat:

Bild #79: Forsthaus Heiligkreuz

Blöd nur, dass das Forsthaus Motags Ruhetag hat und der ansonsten sehr apart aussehende Biergarten verwaist da liegt.
Na gut, gibt´s statt kalter Cola eben die letzte, rationierungsgehortete Flasche warme Isoplörre vom Gürtel.
Schmeckt muffig und ist weit weniger befriedigend, aber dafür wenigstens greifbar…

Und weiter.

Der Weg macht direkt hinter dem Forsthaus einen scharfen Knick und führt nun auf der anderen Seite des Hochtals zurück in Richtung Rheintal, dem er dann an der steilen Flanke des großen Rheinbergs weiter nach Norden durch den Bergwald folgt, wobei er auf die nächsten Kilometer mehr oder weniger konstant die Höhe hält und sich in Sachen Auf und Ab weitgehend zurückhält.
Gottseidank, denn ich pfeife inzwischen wirklich schon aus dem mindestens vorletzten Loch.

Trotzdem ein tolles Stück Strecke. Schöner, weicher Pfad, der sich durch den dichten, alten Mischwald windet, links die steile Bergflanke, rechts der noch steilere Abhang, und das ganze regelmäßig aufgelockert durch imposante Felsformation, kleine Lichtungen mit Farn und Fingerhut und natürlich. Viel Natur, auch wenn die Geräuschkulisse aus leiernden Bahnsirenen und stampfenden Binnenschiffmotoren, die von unten hochschallt ständig dran erinnert, dass ein paar hundert Meter weiter rechts unten eine der wichtigsten Bahn- und Binnenschiffstecken des Landes Verläuft.
Den Wald hab ich übrigens vollkommen für mich alleine – seit Bingen ist mir keine Menschenseele mehr begegnet – die Aussichten ins Mittelrheintal sind heute exklusiv für mich da:

Bild #80: Bingen


Bild #80: Abzweigung zum Damianskopf, einer Felsnase über dem Rheintal. Ein Abstecher von mehreren hundert Metern samt wieder auszugleichendem Höhenverlust. Ich nehm ihn trotzdem mit – eine gute Entscheidung, wie sich herausstellt, denn…


Bild #81: …hier gibt´s schön was zu gucken. Zum Beispiel Rheinschiffe…


Bild #82…Rheinkehre…


Bild #83…und – zum ersten Mal heute – den Weinort Assmannshausen auf der (noch) hessischen Uferseite


Bild #84: Rhein-Burgen-Weg hinter dem Damianskop…f


Bild #85: …aufgelocktert durch verwunschen wirkende Lichtungen mit knorrigem Totholz und moosigen Felsen…


Bild #86: …und kleine, feuchte Seitentäler…


Bild #87…aus deren Rändern verwitterte Schieferfelsen ragen

Weiter.
Langsam, und mit schweren, schweren Beinen. Obwohl das Stück hübsch ist, zieht es sich gefühlt eeeeeewig.
Zum Glück gibt´s ab und an Lücken zwischen den Bäumen, die es mir erlauben, mittels Blick auf Assmanshausen zu verifizieren, dass ich tatsächlich vorwärtskomme:

Bild #88: Assmannshausen – nun schon auf gleicher Höhe. Wenn ich noch Kraft hätte, würd ich mich darüber freuen.
Hab ich aber nicht mehr, also nehm ich es nur zur Kenntnis…

Der nächste markante Punkt laut Wanderkarte: Das Schweizerhaus, auf einer Obstbaumbestandenen Hochwiese im Wald.
Sonne ist inzwischen gar keine mehr da, halb unter Wolken weggesuppt, halb wegen der langasam aber sicher näherkommenden Dämmerung. Warm ist mir trotzdem.
Und viele Prioritäten hab ich auch nicht mehr, deswegen Fotografiere ich mehr oder weniger wahllos die Umgebung…

Bild #89: Wiese am Schweizerhaus

…mich selbst…

Bild #90: MannMannMann, ich bin zu alt für diesen Schweiß…

…und die vollkommen desinteressierten Schafe am Schweizerhaus:

Bild #91: “Jogger auf sechs Uhr. Pfft. Meh (oder Mäh).

Das Schweizerhaus selbst allerdings nicht. Keine Ahnung warum. Sieht eigentlich nett aus, wie eine kleine Sennhüte in einem Efeubekränzten Garten.
Aber wie gesagt: Geordnete Prioritäten sind was für Leute, die nicht aus dem letzten Loch pfeifen.

Nach dem Schweizerhaus geht´s wieder in die Waldhänge. Schmaler, felsiger Pfad in Richtung Burg Rheinstein.
Ziemlich steil bergab:

Bild #92: Rheinsteinabwärtssozusagen

Das tut einerseits ganz gut. Weil Bremsen deutlich weniger Kraft braucht als Klettern.
Andererseits ist es aber auch ein bisschen beunruhigend.
Zumindest versucht mir das das weinerliche Stimmchen meines inneren Pessimisten klarzumachen.
Du Trottel“, nölt es kraftlos vor sich hin. “Du bist noch lange nicht da!! Jetzt bergab, das müssen wir sicher auch wieder hochlaufen. HOCHLAUFEN!!! Das geht nicht mehr, du dummer Arsch, hör´ auf dich zu freuen, das ist SCHEI-HEI-SSEEE!!!

Ich ignoriere meinen inneren Pessimisten.
Der hat eh keine Ahnung. Das wird schon. Irgendwie. Oder so. Glaube ich. Hab sowieso keine Zeit für sowas. Muss ja auf steifen, schweren Beinen bergab staksen…

Knapp 100 Höhenmeter unter der Lichtung am Schweizerhaus lichtet sich der Wald. Der Rhein ist hier gar nicht mehr so weit weg, vielleicht noch 50, 60 steile Meter abwärts – und mal wieder richtig gut zu sehen. Weil: Aussichtspunkt.

Bild #93: Eine Art kleines, leicht erhöhtes Türmchen auf einer Klippe, die ins Rheintal reinragt

Grandios:

Bild #94: Rheinaufwärts bis zum Rheinknick. Ein ordentliches Stück, das ich da seit Bingen geschafft hab.


Bild #95: Nochmal Assmannshausen. Jetzt bin ich definitiv vorbei. Gottseidank…


Bild #96: Rheinschiff auf dem Weg nach Süden


Bild #97: Nochmal näher (merke: Je länger die Fotopause, desto mehr Zeit hat meine Lunge, Sauerstoff zu pumpen…)

Ach ja, und dann ist da noch das hier:

Bild #98: Burg Rheinstein

Gerade mal 200 m. Luftlinie weiter links.
Das beruhigt, fast da, jetzt kann´s ja nicht mehr weit sein (oder????).
Und mal ehrlich: So eine Mittelrheintalburg auf ihrer Felsnase über dem engen Tal, das hat was, oder?

Bild #99: Liebes Ammerland, liebes Friesland, liebes Ostfriesland, liebes Emsland, liebe Wesermarsch, liebes Oldenburger Münsterland, liebes Elbe-Weser-Dreieck – tut mir leid: Ich mag euch ja echt gerne, aber gegen sowas kommt ihr einfach nicht so richtig an…

Ich seh mich ein bisschen satt (boah ist das gotisch! :-)), dann wanke ich weiter.
Nur ein paar Schritte, dann bin da:

Bild #100: Von hier hinten vielleicht nicht ganz so spektakulär

Natürlich kann ich mir die Burg nicht von innen angucken. Bin viel zu spät (Viertel vor Neun? Ach du Sch…e!), ist schon geschlossen.
Was nicht schlimm ist, hätte eh keine Kraft mehr, sie zu genießen.
Also noch ein Blick von hinten in die verwinkelten Höfe, und dann gleich weiter. Bin jetzt schon viel länger unterwegs als geplant, und irgendwann wird´s ja auch mal dunkel.

Schmaler Pfad zwischen Hang und Schildmauer…

Bild #101: An Burg Rheinstein endet übrigens meine Wanderkarte. Ab jetzt blind weiter, weiterhin Rhein-Burgen-Weg der mich (hoffentlich!) auf den Eselspfad nach Trechtingshausen führen wird

…der kurz darauf links von der Burg wegknickt – wieder steil den Hang hoch!

Bild #101: Oh shit!

Das tut jetzt weh:

Bild #102: Beine wollen nicht. Außer Atem. Durst. Keine Kraft mehr. Au.

Hier ist dann auch Schluss mit laufen.
In den Steigungen muss ich gehen, mehr geht einfach nicht mehr. Wenns gerade ist, jogge ich noch ein bisschen, aber das selbst das fällt nach inzwischen über 22 Berg- und Hitzekilometern unendlich schwer.
Im Schrittempo aufwärts, nordwärts, zielwärts den Trampelfpad entlang:

Bild #103: An sich sogar ganz gut: Der Pfad ist wild, steinig, uneben, steil – und ich schon lange nicht mehr wirklich trittsicher

Ein halber Kilometer.
Dann das:

Bild #104: Neiheiheeiiiin!!!

Man erkennt´s nicht gut (und ich bin zu fixundfertig, um eine paar Schritte zurück zu machen, damit das Foto besser wird), aber das sind Serpentinen.
Serpentinen bergauf.
Zick.
Zack.
Zick.
Zack.
Noch viel steiler als der Trampelfpad bis hierher den Berg hoch.
Siehstewohl, ich hab´s ja gleich gesagt!” jault mein innerer Pessiimist, bevor er sich in einer dunklen Ecke meines Hirns in Fötushaltung einrollt und still vor sich hinwimmert.

Ich versuchs.
Geht nicht.
Auch nicht mehr gehend.
Nach zwei Kehren ist endgültig Schluss.
Beine wollen nicht mehr, sehe Sterne. Kriege keine Luft mehr. Pulls wummert ein manisches Stakkato in meinen Ohren.
Muss anhalten.
Setzen.
In den Dreck am Hang. Mehr fallen als hinhocken.

Bild #105: Rien ne va plus

5 Minuten.
Atmen.
Atmen.
Puls, Atmung kontrollieren.
Atmen. Nurnichthyperventilieren.
Atmen.

Bild #106: Total im Arsch. So fertig war ich seit Jahren nicht mehr

Irgendwann ist es wieder besser.
Ein bisschen wenigstens.
Kann nicht mehr weit sein. Und aufsammeln lassen kann ich mir im Steilhangwald eh nicht.
Muss weiter. Irgendwie.

Im Schneckentempo die Restserpentinen, kontrolliert keuchend.
Oben ein breiterer Waldweg. Fast eben, am Hang. Knapp ein Kilomter durch den dämmrigen Wald, stop and go, ein paar Dutzend Meter traben, dann – sobald minimal Steigung drin ist – gehen.
Geht nicht gut. Aber geht.
Bis zum Eselspfad.
Der geht jetzt wieder abwärts. Ins Rheintal. Fast geschaft…

Der Abstieg führt durchs Morgenbachtal. Oben nochmal eine Aussichtsklippe…

Bild #107

…mit Blick auf die nächsste (und für heute definitiv letzte) Burg:

Bild #108: Burg Reichenstein. Gehört schon zu Trechtingshausen


Bild #109: Hinter diesem Vorberg muss Trechtingshausen liegen.
Noch ein, zwei Kilometer…

Der Abstieg auf dem Eselspfad.
Nicht schön.
Eigentlich ein herrlicher Weg – auf einem winzigen Pfädchen an der Wand des steilen, von Felsklippen durchzogenen Morgenbachtals entlang:

Bild #110: Eselspfad

Wildromantisch, Kehren und Wendungen durch einen mediterran wirkenden Kiefernwald, links ragen steil wuchtige Klippen über den Pfad…

Bild #111

…rechts stürzt steil der Abhang vom Pfad ins Schluchtartige Tal..
Wennns früher wäre, und ich fit wäre und noch einen Kopf dafür hätte, wäre das hier großartig.
Aber es ist spät, ich bin nicht fit, habe keinen Kopf und keine Kraft.

Der Pfad ist manchmal gerade mal zwei bis drei Fuß breit, felsig, wurzelig, extrem uneben…

Bild #111: Das würde sich selbst in Topform nicht wirklich toll joggen…

…und ich traue meinen steifen, müden, schweren Beinen und Füßen ehrlich gesagt überhaupt nicht nicht mehr.
Ein Stolprer und es würde mich geradewegs den Steilhang runterhauen, 30, 40, 50 Meter in die Tiefe.
Mir ist richtig, richtig mulmig zumute.
Auf einmal fühle ich mich ganz klein und müde und allein und mutlos, hier draußen im dämmrigen Wald…

Übrvorsichtig tottere ich den Pfad hinunter.
Ein paar Meter weiter wartet eine Passage mit einem Sicherungsseil.
Die kostet richtig Überwindung:

Bild #112: Wie gesagt: Wenn ich noch fit wäre, wäre das nicht der Rede wert…

Dann noch eine Kehre, Stufen, Talgrund.
Aufatmen.
Ein breiter Weg über einem gurgelnden Bach, in Richtung Zivilisation:

Bild #113: Über dem Morgenbach

Ein paar hundert Meter, dann bleibt der Wald zurück, ein erstes Wohnhaus…



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Jubiläumslauf ins Mittelrheintal: Ingelheim-Waldeck – Bingen – Trechtingshausen (25,4 km)

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