Get Even More Visitors To Your Blog, Upgrade To A Business Listing >>

Legendäre Fernseh-Brille: Mobil mit Schnitzlers Nasenfahrrad

Mehr als drei Jahrzehnte galt Karl-Eduard von Schnitzlers Brille (links Bildmitte) als verschollen. Jetzt tauchte sie völlig unerwartet wieder auf dem Bildschirm auf.

Sie war weg, verschwunden, nicht mehr aufzufinden. "Wo ist Buddy Hollys Brille jetzt?" fragte die Popformation Als Die Ärzte noch 1985, als die als "markantes Gläser der Rock’n’Roll-Legende" schon ein Vierteljahrhundert wiedergefunden waren. Buddy Hollys Brille, ein schwarzes Horngestell mit Gläsern dick wie Sektflaschenböden, ist aber nur zwei Monate abgängig. Am 3. Februar 1959 stürzt das Flugzeug mit Holly und seinen Musikern an Bord ab. Die Brille, das Markenzeichen des Musikers, wird zwei Monate nach diesem "Tag, als die Musik starb" in einem verschneiten Maisfeld in Iowa entdeckt.  

Eine Welt ohne Brille

Geschichtlich gesehen ein kurzer Moment, in dem die Popwelt ohne  die Brille auskommen musste. Viel länger dagegen war ein anderes, kaum weniger berühmtes und berüchtigtes Modell abgängig. Karl-Eduard von Schnitzler trug es in seiner aktiven Zeit, eine Spezialanfertigung, mit deren Hilfe es dem Chefkommentäter des DDR-Fernsehens spielend leicht gelang, jeden Umtrieben des Klassenfeindes bis auf die Knochen ins Herz sehen zu können. 

Von Schnitzlers Brille blieb nichts verborgen. Der Adlige, der sich seine ideologischen Sporen mit Antihitlerreden in seiner Zeit als Wehrmachtssoldat verdient hatte, schaute stets ein bisschen von unten hoch, wenn es um die Entlarvung des Klassenfeindes und die unbeugsame Anprangerung von Feinden unserer Ordnung geht - eine Moderatorengeste, die heute häufig "Resteln" genannt wird. Seine Gegner verunglimpften ihn wegen der unbeugsamen Entschiedenheit, mit der er fake news und Verunsicherungskampagnen zurückwies, mit dem Hassbegriff "Sudel-Ede". Schnitzler aber ließ sich davon nie einschüchtern.

Suche nach der Sehhilfe

Mit dem Ende der politisch-agitatorischen Fernsehsendung Der schwarze Kanal, Vorläufer etwa des ARD-Magazins "Monitor", tauchte neben von Schnitzler auch dessen Sehhilfe ab. Für mehr als 30 Jahre blieb die klotzige Hornbrille mit ihren zweimal sieben Dioptrien gegen die Kurzsichtigkeit des Großneffen von Kaiser Wilhelms II. untergetaucht. 

Fernsehforscher vermuteten sie mit dem Nachlass  im Hausmüll verklappt, Spuren deuteten auch auf Museum für deutsche Vorgeschichte, andere Hinweise ließen vermuten, dass sich private Ebay-Verkäufer Zugang zum Erbe des von Fans verehrten Kultmoderators verschafft hatten und nun einen schwunghaften Handel mit Devotionalien des Erfinders des Begriffes "Gefährder" trieben.

Unerwartetes Auftauchen

Irrtum. Völlig unerwartet und selbst in Sammlerkreisen mit Verblüffung notiert, war Karl-Eduard Von Schnitzlers Brille plötzlich wieder da. Sonntagabend, Anne Will, fünf Stühle, eine Meinung, das Studio so hochgeheizt, dass die Teilnehmer trotz winterlicher Temperaturen im kurzärmligen Sommerkleidchen Platz genommen haben - und mittendrin entdeckten Fernsehhistoriker sie: Schnitzlers Brille, ein unverwechselbar geformtes Modell mit glänzend gebürstetem Stahlrahmen. 

Seit dem Abschied des in Eichwalde zur Rehe gebetteten Fernsehdenkmals am 30. Oktober 1989, als das Fernsehen der DDR Schnitzler nach 1519 Folgen des Schwarzen Kanals die Tür gewiesen hatte, war die Brille nicht mehr zu sehen gewesen. Und doch erkannten sie viele Zuschauer vor allem im Osten.

Wieder im Einsatz

Erstaunen aber über die neue Besitzerin. Katja Diehl ist 49 Jahre alt, studierte Literaturwissenschaftlerin, von Beruf aber  eine sogenannte Verkehrswende-Aktivistin, die sich als eine "Remarkable Women in Transport" für die Transformative Urban Mobility Initiative einsetzt. In dieser Funktion als Missionarin saß die immer noch erfrischend kindlich wirkende Frau aus Niedersachsen auch in der Fernsehjury bei Anne Will - kein Platz hätte besser gepasst, um Karl-Eduards Brille wieder zum Teil der ideologischen Klassenauseinandersetzung zwischen Ewiggestrigen und Anhängern einer der Zukunft zugewandten Gegenwartsbetrachtung zu machen, kommentierten Fans später.

 



This post first appeared on PPQ, please read the originial post: here

Share the post

Legendäre Fernseh-Brille: Mobil mit Schnitzlers Nasenfahrrad

×

Subscribe to Ppq

Get updates delivered right to your inbox!

Thank you for your subscription

×