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Anteilseigner ziehen positive Jahresbilanz

Bilanzen werden ja bekanntlich an irgendeinem wichtigen Datum gezogen. Wir haben das erste Jahr in unserem neuen Leben als Mama und Papa nahezu um. Die Anteilseigner am Projekt Töchterchen ziehen also eine kleine Bilanz. Es war nicht immer einfach in den letzten Monaten. Umzug, Finanzplanung, Papierkram, Studium und Job waren erstaunlicherweise nicht die Themen, die mich am meisten bewegt haben.

Regen auf Wolke 7

Mit der Zweisamkeit war es nach den ersten Wochen zu Ende. Es wundert mich gar nicht mehr, dass besonders viele Paare sich im ersten Lebensjahr des Babys trennen. Die tollste Frau der Welt und ich haben schon einige Abenteuer hinter uns: Zehn Monate Backpacken durch drei Kontinente. Zehn Monate in denen wir ungelogen 24 Stunden am Tag zusammen waren. Zusammen auf tagelangen Fahrten in schlecht belüfteten und heillos überfüllten indischen Zügen, zusammen in der uralten Propellermaschine der bolivianischen Luftwaffe auf 8000 Metern Höhe, zusammen im Mietwagen vor einer Nashorn-Mama im Rückwärtsgang flüchtend. Was ich damit sagen möchte: Wir Kennen Uns. Wir kennen uns verdammt gut und haben uns in diversen, teilweise auch extremen Situationen, schon gegenseitig erlebt. Wir waren ein echt eingespieltes Team. Auch in den fünf Jahren in unserer 2-Zimmer Studentenbude in Giesing.

Und dann kam unsere Tochter zur Welt. Es ist schon eine seltsame Sache. Irgendwann zwischen der Geburt und dem vierten Lebensmonat der Kleinen hat es angefangen. Wir haben immer mehr nebeneinander hergelebt. Dieses eingespielte Team-Ding verwandelte sich still und heimlich. Urplötzlich waren wir in zwei Einzelkämpfer-Jobs angekommen. Am Ende dieser Verwandlung stand schließlich ein schnöder, langweiliger Schichtplan. Wir reden ja selbst immer von der Frühschicht und der Nachtschicht, die wir übernehmen.

Der Umzug von Giesing in die Münchner Messestadt hat das nochmals ziemlich eindrucksvoll verdeutlicht. Einer war einfach immer und permanent mit unserer Kleinen beschäftigt. Vollkommen egal ob es ein normaler Tag war oder eben ein Umzug anstand. Abends, ja da wäre Zeit zum durchatmen gewesen. Theoretisch eben. Praktisch schlief das wunderbarste Kind von allen nur die Hälfte der Zeit wirklich alleine. Die restliche Zeit brauchte sie eben den ständigen Körperkontakt eines Elternteils zum Schlummern. Dann gab es da auch noch die Erschöpfung. Lange Nächte und Wachstumsschübe zerrten an unseren Nerven. An mehr als nur ein paar Abenden ging einer oder sogar beide von uns früh ins Bett. Mit früh meine ich mit unserem Töchterchen. Also irgendwann so zwischen 18 und 19 Uhr.

Hätte mir das jemand vorher gesagt, ich hätte es nicht geglaubt. Die ersten Monate der Elternschaft stellen eine Beziehung auf eine echte Härteprobe. Keine Angst, wir waren meilenweit davon weg, uns zu trennen. Nach all den Jahren der eingespielten Zweisamkeit und der gewohnten Freiheiten rumpelte es doch schon gewaltig in unserem Paradies. Dieses permanente Kümmern um das Baby ist richtig fies viel Arbeit. Es ist die Summe aller Stunden, die bei uns so reingehauen hat. Nach einer Woche mit wenig Schlaf kann auch schon einmal der beste Vorsatz in einer Mecker-Tirade verpuffen.

Es hilft nur eines: Reden, Reden, Reden. Nicht unbedingt in der Situation selbst, sondern etwas später. Wichtig ist, dass jeder seine Freiheit bekommt und wenn es nur das eine Stündchen am Sonntagmorgen im Bett ist. Doch das zu erkennen hat bei uns in all dem Chaos etwas gedauert

Papaprobleme

Die schlimmsten Schübe des besten Töchterchens der Welt sind um. Ihre Zähnchen da und das Laufen wird fleißig geübt. Doch so langsam tut sich auch bei mir was. Die Kleine und ich werden, hinter dem Rücken der tollsten Frau der Welt, ein Team. Beim Abspulen des Einschlaf-Rituals hat dieses Monster-Kind es doch tatsächlich geschafft, mich zum Lachen zu bringen. Mit voller Absicht! Sie wusste genau, was sie da tat. Also war diesmal ich es, der das Ritual gesprengt hat. Dennoch schlummerte die Kleine dann kurze Zeit später in meinem Arm ein. Mit einem Lächeln. In ihrem und in meinem Gesicht.

Es gibt einen Grund, warum ich nie wirklich ausführlich über Vatergefühle geschrieben habe. Die Wahrheit ist, dass ich meine Gefühle damals im Kreißsaal nicht so nennen würde. Das war kein gigantischer Moment himmlischer Dimension für mich. Plötzlich war das Baby einfach da. Alles ging so verdammt schnell. Ich glaube, ich bin einfach vor Erstaunen stehen geblieben während sich die Welt einfach weiterdrehte.

Die Hebamme machte irgendwas im hinteren Eck des Zimmers. Ich stand vor meiner Tochter, die unter dem Wärmestrahler lag. Und sie schaute mich plötzlich aus diesen tiefschwarzen Augen eines Neugeborenen an. Ich legte ihr meine Hände auf und schaute einfach nur erstaunt. Sie starrte neugierig zurück und war ganz ruhig. Nach einigen Augenblick fasste ich wieder einen halbwegs klaren Gedanken und wollte irgendwas tun. Eben ein Vater sein. Verlegen stammelte ich also ein paar Wörter. Ich gab dann aber nach wenigen Sätzen wieder auf. Worte konnten für mich diesen Moment ohnehin nicht greifen. Ich wusste schlicht nich, was ich mehr flüstern sollte als einen Willkommensgruß.

Es gab da für mich in diesem Raum kein Erbeben. Kein Herzrasen, keinen Endorphin-Schub, keine Tränen. Stolz empfand ich dagegen schon. Auch Zuneigung zu diesem kleinen Wesen. Aber eben nicht dieses tiefe Gefühl, dieses Ding, das ich Vatergefühl nennen würde. Das bildete sich erst langsam. Heute, nach einem Jahr voller Höhen und Tiefen, würde ich sagen: Ja, ich weiß, was Vatergefühle sind und ich empfinde exakt dieses Gefühl für meine Tochter.

Für mich erwächst dieses Gefühl aus den Momenten mit meiner Tochter. Aus den Momenten, in denen wir uns wegwerfen vor Lachen. Aus den Augenblicken, in denen sie zu mir robbt um einzuschlafen oder schlicht, um eine kurze Kuscheleinheit einzufordern. Anders ausgedrückt: Mein Vatergefühl speist sich aus meiner innigen Beziehung zu meiner wunderbaren Tochter. Doch zumindest bei mir musste sich diese Beziehung erst entwickeln. Trotz Bauchstreicheln, Teilnahme an nahezu allen Ultraschall-Terminen und dem Geburtsvorbereitungskurs. Vorfreude hatte ich ganz eindeutig. Die ersten Tage und Wochen empfand ich auch als schön und aufregend. Aber als Papa fühlte ich mich damals eben nie so richtig. Ich war noch immer ich - nur eben mit Kind. Heute ist das anders.



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