Get Even More Visitors To Your Blog, Upgrade To A Business Listing >>

Eine Verteidigung der Taufe

Als religiös würde ich mich nicht bezeichnen. Dabei bin ich getauft, ging zur heiligen Kommunion und wurde sogar gefirmt. Nebenbei war ich auch noch fünf Jahre Ministrant. Nicht unbedingt, weil ich an Gott glaubte. Eher, weil es in unserer Gemeinde Geld dafür gab und es wirklich Spaß machte. Die Abläufe der verschiedenen Liturgien, die Farben der Gewänder und deren Bedeutung - über all das kann ich heute noch erzählen. Natürlich haben wir Kinder, mitten in all diesen mit Bedeutung überladenen Dingen, auch unsagbar dummen Mist getrieben. Das Eis, welches wir damals auf Kosten der Gemeindekollekte aßen, ist mir heute noch unheimlich peinlich

Heute, da glaube ich, muss ich es mir eingestehen: Ich gehöre einer Minderheit an. Ich bin tatsächlich einer, der seine Kinder noch taufen lassen möchte. Dafür muss ich auch bei Der Tollsten Frau der Welt jede Menge Überzeugungsarbeit leisten. Es ist heute einfach common sense, seine Kinder nicht taufen zu lassen. Sari vom Heldenhaushalt Blog hat in ihrem Artikel Warum unsere Kinder nicht getauft sind über ihre Sicht auf die Taufe geschrieben. Für mich gibt es dennoch sehr starke Gründe, die eben doch für dieses alte Ritual sprechen. Die haben mit Religion zu tun, aber eben nicht ausschließlich.

Vermittlung von Werten

Warum zur Hölle bin ich bereit wegen dieser so uncoolen Taufe einen Streit mit der tollsten Frau der Welt vom Zaun zu brechen? Die Antwort ist, dass dieser Wunsch ganz einfach meinem subjektiven Empfinden entspringt. Nein, ich bin nicht sonderlich gläubig. Auf die Frage Gibt es Gott? antworte ich gerne mit der Gegenfrage Würde die Antwort denn für dich persönlich einen Unterschied machen?. Eine Religion ist nur eine Form von Glauben. Die harten Dogmen diverser Erziehungsratgeber stellen für viele moderne Eltern eine Glaubensform dar. Es gibt so viele Dinge, an die wir alle glauben, denen wir einfach vertrauen. Das gibt Halt und Stabilität. Ob es nun der Bio-Metzger ist, der mir versichert, seine Schweinchen gut zu halten, die Fair-Trade Bananen oder eben Erziehungsstile. Wir konsumieren die Schnitzel im guten Glauben, dass der Metzger nicht lügt. Wir erziehen, wie wir erziehen, weil wir glauben, dass es das Beste für unsere Kinder ist. Hand aufs Herz: Wirklich wissen tun wir nur sehr wenig.

Ich glaube, dass ich meiner Tochter mit der Taufe einen neuen Horizont anbiete und wichtige Werte vermitteln kann. Sie soll Sankt Martin feiern und wissen, dass es die Pflicht eines jeden von uns ist, Menschen in Not zu helfen. Die tollste Frau der Welt und ich möchten zu Weihnachten eine neue Familientradition etablieren. Jedes Weihnachten möchten wir Familienrat halten. Dort entscheiden wir dann zusammen, wohin wir einen Teil des Weihnachtsgeldes als Familie spenden. Ich wünsche mir, dass meine Tochter den Geist von Weihnachten zu schätzen lernt. Es soll um mehr als nur Geschenke gehen. Die biblische Geschichte vermittelt diese, unsere Werte, sehr anschaulich. Ich kann mich noch gut an dunkle Winternächte erinnern, bei denen wir Kinder immer ehrfürchtig dem Krippenspiel zugesehen haben. Natürlich haben wir das damals mit den Werten nicht wirklich verstanden. Heute, Jahrzehnte später, verstehe ich es aber und kann es benennen - auch anhand solcher biblischen Geschichten. Jetzt lassen sich Werte auch ohne Religionen lehren und vorleben. Aber Religion schadet dem eben auch nicht, sie kann diese sogar verdeutlichen.

Auffangnetz Pate

Wir haben uns auf zwei Paten für unsere Tochter geeinigt. Für mich ist das tatsächlich ein (lausig bezahltes ) Pöstchen. Aber eben eines mit besonderer Bedeutung. Sollte der tollsten Frau und mir etwas passieren, dann sind das exakt die Menschen, denen wir unser Kind anvertrauen wollen. Dahinter steht für uns damit mehr als nur eine hübsche Urkunde. Wir möchten ein enges Band zwischen den Paten und unserer Tochter aufbauen. Wir vertrauen darauf, dass sie als Rettungsnetz im schlimmsten aller nur denkbaren Fälle agieren. Tatsächlich werden wir das auch so demnächst in unserem Testament festlegen.

Ich finde es schön, die Taufe als Symbol für dieses Vertrauen und das Band zwischen unserer Tochter und den Beiden zu haben. Es ist ein Ereignis, in dem nicht wir, die Eltern, sondern die Paten und unsere Tochter im Mittelpunkt stehen. Wir geben unser Kind frei und die Paten übernehmen das Ruder. Die tollste Frau und ich, wir beide haben uns die Menschen ausgesucht, bei denen wir uns sicher sind, dass unsere Tochter sicher aufgehoben ist. Die Taufe wird ihr Event. Sie besiegelt diesen ungeschriebenen Vertrag zwischen unserem Töchterchen, uns Eltern und ihnen. Als Vater ist es mir wichtig, dass so eine gewichtige Aufgabe nicht bei einem Bier am Tisch abgefrühstückt wird. Ich möchte, dass es etwas ernster zelebriert wird. Eben dem Job angemessen. Ich glaube, dass die Taufe dazu eine wunderbare Plattform bietet.

Glaube als Anker

Mein Großvater starb lange vor meiner Großmutter. Die beiden stammten natürlich auch aus einer anderen Zeit. Religion war aus ihrer Jugend und dem Dorfleben in dem sie beide aufwuchsen nicht wegzudenken. Beide waren gläubig - meine Großmutter fast schon strenggläubig. Als eines ihrer Kinder sich scheiden ließ, ging richtig die Post ab. Die Familienbande wurden nachhaltig durchgeschüttelt. Es dauerte Jahre, bis meine Oma das Verhalten ihres Kindes verstehen und akzeptieren konnte.

Was mich an ihr beeindruckt hat, war aber nicht ihre Sturheit. Es war ihre Zuversicht und dieses unendliche Gottvertrauen. Ihr Mann, mein Opa, wurde Jahrzehnte vor ihrem Tod von ihr genommen. Als wir Enkel bei ihr übernachteten betete sie mit uns zu unserem Großvater. Die kitschigen Marienbildchen an der Wand gehörten für uns einfach dazu. Es war eben ihre Art nicht zu verzweifeln. Ihre ganz persönliche Hoffnung auf ein Wiedersehen mit meinem Großvater. Und die war eben ständig in Form dieser Bildchen präsent. Die Religion gab ihr großen, fast schon unheimlichen festen Halt. Ohne sie wäre meine Großmutter in ein sehr, sehr tiefes Loch gefallen. In ihren letzten Jahren war sie öfters im Krankenhaus. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich auf der Intensivstation stand. Sie war verkabelt und ihr ging es richtig dreckig. So lag sie dann und murmelte plötzlich «W. ich komme zu dir.». Ich fand es sehr tröstlich zu wissen, dass meine Großmutter den Tod nicht als das Ende ansah. Für sie war es der Punkt, an dem sie ihren geliebten Mann, nach Jahren der Einsamkeit, wiedersehen konnte. Was es auch uns Angehörigen am Ende leichter machte. Wir konnten sie gehen lassen und wünschten uns fest, dass ihre Hoffnung sich erfüllen möge.

Manche würden nun sagen, dass sei doch ohnehin vollkommener Unfug an etwas derartiges zu glauben. Ja, mag sein - aber darauf kommt es gar nicht an. Glaube kann helfen, das Unvermeidliche zu akzeptieren. Selbst wenn danach nichts ist. Ob ich dabei an fliegende Aluhüte, das ewige Paradies, kosmische Energie oder einen pinken Milchreis-See glaube ist letztlich vollkommen egal. Wenn es einem Menschen hilft, Halt in schwierigen Situationen zu finden, hat der Glaube seine Aufgabe erfüllt. Spekulativ und subjektiv ist es immer - ganz gleich, ob jemand nun Atheist, Jude, Hindu, Buddhist, Moslem oder Christ ist. Auch Nicht-Glauben ist eben kein Wissen. Ich wünsche mir für meine Tochter, dass sie etwas findet, um Kraft in ausweglosen Situationen zu tanken. Das kann die Religion sein. Mit dem Konzept Glauben würde ich sie deswegen gerne vertraut machen.

Freiheit der Entscheidung

Gut möglich, dass meine Tochter mit 10 Jahren in den Ethik-Unterricht möchte und dem Christentum abschwört. Das ist ihre Entscheidung, die sie dann vor sich und für sich begründen können muss. Jetzt ist sie noch zu jung dazu und daher treffe ich diese Entscheidung zur Aufnahme in eine Religion für sie. Im guten Glauben, dass ich ihr damit eine Tür öffne, die sie selbst dann aufstoßen oder aber wieder schließen kann. Ich halte es für schwerer, als Erwachsener einen Zugang zur Religion zu bekommen. Es ist leichter, eine angelehnte Tür zu öffnen, als eine neu zu bauen. Für mich ist das auch ein Grund, der für die Taufe spricht.

Und außerdem muss ich beim lieben Gott ja auch noch dringend die Sache mit der Kollekte damals wiedergutmachen

Nachtrag: Linkparade zum Thema Taufe

Nach einigem Hin und Her auf Twitter haben Ella von HerzKindMama und ich uns entschlossen eine Linkparade zu dem Thema Taufe ins Leben zu rufen. Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen zur Taufe und Kirche im Allgemeinen. Wir hoffen anderen Eltern mit der Parade ein paar Anregungen und Meinungen mit auf den Weg geben zu können. Je mehr Blickwinkel zusammengetragen werden, desto wertvoller wird das Ganze. Wenn ihr euch also angesprochen fühlt macht einfach mit und tragt euch bei Ella ein.



This post first appeared on Stadtpapa, please read the originial post: here

Share the post

Eine Verteidigung der Taufe

×

Subscribe to Stadtpapa

Get updates delivered right to your inbox!

Thank you for your subscription

×