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Fay Weldon: Die Teufelin

Frauenliteratur – Literatur der Frauen

1983, als der vorliegende Roman von Fay Weldon The Live and Loves of a She-Devil erstmals veröffentlicht wurde, stand auch in Deutschland sogenannte “Frauenliteratur” hoch im Kurs. 1977 war die Zeitschrift EMMA gegründet worden, Frauenbuchhandlungen wurden eröffnet, Verlage richteten ganze Reihen ein (z.B. Rowohlt die neue frau ab 1977). Da war viel Aufbruchstimmung, die Vorstellung von einer autonomen weiblichen Identität wurde laut und aktiv vertreten. 

Heute kann man schon ins Fettnäpfchen treten, wenn man bloß den Begriff “Frauenliteratur” verwendet, obwohl er in der Entwicklung weiblichen Schreibens bis heute seinen Platz haben darf, denke ich, setzte doch die Forderung nach “Frauenliteratur” einen existierenden Mangel voraus und wurde schließlich zu einem Versprechen weiblicher Selbstbehauptung und einer großen Ermutigung gegen die Herrschaft des männlichen Blicks. “Frauenliteratur”  hat nichts zu tun mit trivialen Frauenromanen und den Scheinwelten der Danella, Roberts, Cartland, Paretti oder wie sie alle heißen, auch wenn sie nach wie vor massenhaft Leser(innen)anziehen und auch ihre Berechtigung haben.

Heute sind Texte wie Karin Strucks Klassenliebe oder Verena Stefans Häutungen praktisch aus allen Regalen verschwunden, andere theoretische und poetologische Aspekte spielen eine Rolle, stark befördert wird heute z.B. auch von Autorinnen das Bewusstsein für die Normalität anderer als heterosexueller Lebensgemeinschaften.

Diese lange Einleitung sollte verdeutlichen, dass gerade dann, wenn Schriftstellerinnen wie Fay Weldon als feministisch betitelt werden, es nötig ist, die entsprechenden Texte immer erst historisch einzuordnen. 

Schreiben von der Rache einer Frau

Fay Weldon
Quelle:West Yorkshire Playhouse

Die deutsche Fassung von Fay Weldons Roman erschien unter dem Titel “Die Teufelin” 1987 im Frauenbuchverlag München, aus dem der heutige Verlag Antje Kunstmann hervorging. 

Die 1931 in Worcestershire geborene, in Neuseeland aufgewachsene Autorin Fay Weldon hat in diesem Roman in bester englischer Manier eine groteske, bissige Komödie geschrieben über eine benachteiligte, betrogene Ehefrau, ihre Kränkungen und Schädigungen und ihren Rachefeldzug, den sie alsbald startet. 

Die unförmige, unansehnliche Ruth, Mutter zweier nicht vorzeigbarer Kinder, hasst Mary Fisher, die attraktive Geliebte ihres Mannes Bobbo, dem erfolgreichen Steuerberater. Ruth entschließt sich, die Teufelin abzugeben, als die Bobbo sie hinstellt, um sie guten Gewissens verlassen zu können.

Mary Fisher ist zierlich und hübsch mit sanften Kurven an den richtigen Stellen; sie fällt gerne in Ohnmacht, vergießt Tränen und schläft mit Männern, während sie gleichzeitig so tut, als würde sie sowas nie tun. Mary Fisher wird von meinem Mann geliebt, der ihr die Bücher führt. Ich liebe meinen Mann und hasse Mary Fisher.

Fay Weldon schreibt von der Realität ausgehend,  in einer einfachen, leicht zu lesenden Ausdrucksweise und in rasanter Entwicklung. Der Text ist zweidimensional angelegt: Abwechselnd lässt die Autorin  die betrogene Ehefrau Ruth als Ich-Erzählerin  zu Wort kommen, dann ergreift sie selbst als allwissende Erzählerin  das Wort. Mit einer Überzeichnung von Klischees wird die unselbständige, unterdrückte Stellung der Frau dargestellt. Die Heirat wird als gutmütiger Akt des Ehemanns beschrieben, der großherzig die unansehnliche Ruth geheiratet hat und deswegen Demut einfordern kann. Ruth kann Rasenmähen, Ruth versteht sich aufs Putzen ruft die Schwiegermutter. Ruths Vorteil war, dass sie da war, wenn man sie brauchteWo kein eigenes identifizierbares Leben mehr ist, wird es ergänzt, oder bei Realitätsverlust sogar ersetzt durch das erträumte Leben.  Taten folgen in der Regel nicht. May Feldon beschreibt die Personen als unfähig, sich ihrer Lage bewusst zu werden. Außer Ruth. Ruth ist am Anfang von einer so trostlosen Mittelmäßigkeit und Naivität geschildert mit allen Klischees der ausgelieferten Ehefrau, dass es einer großen Verwandlung bedarf:

Ich bin eine Teufelin. Aber das ist wundervoll! Das muntert auf! Als Teufelin kriegt man sofort einen klaren Kopf. Die Lebensgeister werden wach. Es gibt keine Scham mehr, keine Schuldgefühle, kein ermüdendes Streben danach, gut zu sein. Im Endeffekt existiert nur noch das, was du willst. Und ich kann mir nehmen, was ich will. Ich bin eine Teufelin…

Natürlich ist Ruth in einem Heim aufgewachsen,natürlich hat der Vater die Mutter verlassen, natürlich sind ihre Schwestern auffallend hübsch, die Szenerie wird so bereitet, dass auch der Letzte es versteht: Diese Frau hat allen Grund auszurasten. Und das geschieht auch.

Ruth überantwortet Bobbo die Kinder, lässt das Haus niederbrennen und taucht unter.In einer Folge von schonungslosen, raffinierten Manipulationen unter wechselnden Pseudonymen gelingt es ihr, das gemeinsame Leben von Bobbo und Mary Fisher zu zerstören, während sie gleichzeitig ungewöhnliche Liebhaber hat und sich in lange hinziehenden Schönheitsoperationen zu einem Abbild Mary Fishers machen lässt.  Es gelingt ihr alles, fast mühelos, nichts und niemand stellt sich ihr in den Weg- und genau diese Tatsache, ihr ungestörter, gnadenloser Feldzug wurde beim Lesen mit Fortdauer des Textes ermüdend und die Spannung fiel  bis auf den Nullpunkt. Dann wirken eigentlich interessante Details auf einmal wie Geschwätzigkeit und Dialoge fad und nichtssagend. Ironisierung wird von Autor(inn)en ja oft als Stilmittel zur  Distanzierung und Verfremdung angewandt, doch dann sind die Leser(innen)  gefordert, Leerstellen selbst zu füllen und Andeutungen selbst einzuordnen. Hier wird alles ausgesprochen, breitgetreten. Nicht jeder beherrscht eben das Stilmittel der Satire so wie ein Karl Kraus oder auch eine Elfriede Jelinek.

Ich hätte mir von Ruth anstatt ihrer erbarmungslosen,  radikalen Vorgehensweise mehr Radikalität im Denken gewünscht.
Ich will Rache. Ich will Macht. Ich will Geld. Ich will geliebt werden, ohne zurückzulieben. Ich will dem Hass freien Lauf lassen.Ich will, dass der Hass die Liebe vertreibt….
Dieses neue Lebensmotto Ruths ist auch in einer Groteske oder Satire zuwenig für einen befriedigenden Text. Es gibt eine Ausdrucksweise, die man anfangs noch als gezielte sarkastische Zuspitzung, korrespondierend zu Ruths schwerfälliger Naivität,  hinnehmen konnte, aber schließlich immer mehr nervte: nur einige Beispiele:

 -Der Menschenfresser Mutterschaft marschiert draußen mit schweren Schritten auf und ab.
– Er liebte Mary Fisher und zeigte es auch gern, er war der Maibaum, um den sich die verschlungenen Ketten ihrer Glückseligkeit schlangen, stark und fest und für immer.
-Sie würde zwischen den Mühlsteinen der Gegenwart und der Zukunft zerquetscht werden, wenn sich kein Kissen aus  der Vergangenheit dazwischenschob.

Es wäre allerdings unfair, aufgrund isolierter Textstellen, aus dem Zusammenhang herausgenommen, ein abschließendes Urteil zu fällen. Es gibt auch  Gelegenheit zu  treffender Gesellschaftskritik, während der verschiedenen Stationen von Ruths Tour  “durch die Institutionen”:

Ganz allgemein lässt sich Beschäftigung finden, wenn man bereit ist, sich um anderer Leute Kinder zu kümmern, Geisteskranke zu versorgen oder inhaftierte Kriminelle zu bewachen, öffentliche Toiletten zu reinige, Leichen zu waschen oder Betten in billigen Absteigen zu machen…

Die stellenweise sozialkritische Einfärbung hat mir durchaus gefallen. Und es ist zuzugeben: Am Erfolg ihres Buches ist leicht abzulesen, dass Fay Weldon mit diesem Roman den geforderten Unterhaltungswert sicher geliefert hat. Und der Frauenliteraturverlag hat seinerzeit gute Einnahmen erzielt, um andere Projekte voranzutreiben. Ob ein Text in erster Linie unterhaltend ist, daran kann kein ästhetisches Qualitätsurteil festgemacht werden. Fay Weldon, in England lange omnipräsent auch als Stücke-Schreiberin, Fernseh-Autorin, Essayistin, gilt als feministische Autorin. Andere englisch schreibende Autorinnen wie Margarete Atwood,  Joan Didion, Cynthia Osick oder auch Iris Murdoch lehnen es ab, in die Kategorie “feministisch” eingeordnet zu werden. 

Eines hat die Lektüre dieses Romans von Fay Weldon jedenfalls bei mir bewirkt: dass ich mich näher befasse mit dieser Entwicklung des feministischen Aufbruchs schreibender Frauen, so möchte ichs mal nennen, bis heute. Warum sind so viele Autorinnen aus den Siebziger, Achtziger Jahren so schnell von der Bildfläche verschwunden, sind sie Opfer geworden eines männlich dominierten Literaturbetriebs?Oder welche Richtungsänderungen sind seither eingetreten in der Literatur von Frauen? Wie sieht es aus in anderen, besonders männerdominierten Teilen der Erde, z.B. Lateinamerika? 

Zum Schluss ein Interview mit Antje Kunstmann zum Ende des Frauenbuchverlags (1999)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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