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Schaden in der Oberleitung bei der Deutschen Bahn

Dass der Maut- und Automann Alexander Scheuer noch Verkehrsminister ist, verdankt er dem Coronavirus. Man hat derzeit in Berlin andere Sorgen, als einen unfähigen Minister zu entsorgen. Und so wirkt dieser Minister auf Abruf, wie die meisten Verkehrsminister gewirkt haben: Vorfahrt für PKW und LKW. Er setzt sich für den ungehemmten Autobahnausbau ein, kämpft dafür, dass die so defizitären wie überflüssigen Regionalflughäfen erhalten bleiben, plant nun ein 100-Millionen-Euro-Sofortprogramm, damit private Investoren auf Kosten der Steuerzahler noch mehr LKW-Stellplätze entlang der Autobahnen bekommen. Landfraß statt Mäßigung, Beton statt Klugheit – das ist seine Devise. Es ist ein trotziges »Weiter so!«, schreibt Bestsellerautor Arno Luik in der Neuausgabe seines Bestsellers »Schaden in der Oberleitung«.

Ein überaus trotziges »Weiter so!«, für das auch beispielhaft der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann steht. Im Frühherbst 2019 eröffnet Porsche ein E-Autowerk. Kretschmann lässt sich vor dem neuen Porsche-Modell »Taycan« fotografieren, ein Elektro-Hochgeschwindigkeitsgeschoss auf vier Rädern: 761 PS, in 2,8 Sekunden auf 100, die Batterie wiegt 650 Kilo. Kretschmann (zur Erinnerung: ein Grüner) jubelt: »Toll, den Aufbruch in ein neues Zeitalter der Mobilität zu erleben!« Und: »Porsche zeigt, dass genau hier in Baden-Württemberg die Mobilitätsrevolution stattfindet!« Das hat nichts mehr mit Vernunft zu tun.

Egal, wo die Grünen an der Macht sind (und im Herbst wollen sie in die Bundesregierung) – sie konterkarieren und kassieren ihre eigenen verkehrs- und klimapolitischen Grundsätze.

So wird es wohl auch dem von ihnen Ende 2020 präsentiertem Strategiepapier »für eine starke Bahn« ergehen, ein Bewerbungsschreiben für den Job des Verkehrsministers. In ihm fordern sie wortreich, was seit Jahrzehnten sämtliche Verkehrspolitiker wortreich fordern: mehr Verkehr auf die Schiene. Dafür wollen die Grünen bis 2030 beispielsweise 3000 Kilometer Schiene reaktivieren. Hört sich gut an, nur: Als die Grünen gemeinsam mit der SPD die Bundesregierung stellten, legten sie deutlich mehr Trassen still, als sie nun wiederbeleben möchten. Jetzt wollen die Grünen wieder mehr Bahnhöfe, gerade auch auf dem Land, Tausende Stationen sollen saniert werden. Nur: In den vergangenen Jahrzehnten, vor allem in der rot-grünen Regierungszeit wurden Tausende Bahnhöfe verkauft, verhökert, oft für ein Spottgeld losgeschlagen – sie sind nun einfach weg, ihre Reaktivierung schiere Phantasterei.

Haben die Grünen inzwischen dazugelernt? Man möchte es ja wünschen – allerdings: Sobald die Grünen in der Regierungsverantwortung waren, haben sie fast genauso gestrig-unökologisch agiert wie diejenigen, die sie früher kritisierten und bekämpften. Und so ist es mehr als fraglich – bei diesem Personal, das in antiquiertem Denken gefangen ist –, ob die vielen Milliarden Euro, die nun in die Bahn fließen sollen, tatsächlich dem Bahnverkehr und den Bahnkunden etwas bringen werden? Vielleicht ist dieser geplante Milliardeneinsatz sogar kontraproduktiv?

Denn: Man müsste, zum Beispiel, die Bahn in der Fläche wirklich attraktiv machen. Man müsste sich von den Hochgeschwindigkeitsstrecken verabschieden. Aber das ist nicht vorgesehen. Auf unabsehbare Zeit wird weiter in überteuerte Prestigebauten investiert werden. Das Geld wird verschwinden in ökonomisch irrwitzigen, ökologisch verwerflichen, den Bahnverkehr faktisch schädigenden Milliardengräbern. Zum Beispiel dort: einige Milliarden in die Stammstrecke München, Hunderte von Millionen in die Verlegung des Bahnhofs Hamburg-Altona, Milliarden in die Ostsee bei der Fehmarnbelt-Querung und deren Anbindung nach Hamburg, einige Milliarden in den Ausbau der ICE-Strecke von Bielefeld nach Berlin zur Superschnellbahn mit Tempo 330, über 20 Milliarden in die unnötige Einführung des Zugleitsystems ETCS, unabsehbar viele Milliarden in das wohl absurdeste Projekt Der Deutschen Industriegeschichte: Stuttgart 21.

Vor allem dieses letzte Unterfangen zeigt symbolhaft, dass Politik und Bahn verbissen entschlossen sind, so unverantwortlich weiterzumachen wie bisher. In Stuttgart treiben sie nun das Unvernünftige in das schlichtweg Wahnsinnige: Da wird im Sommer 2019 bekannt, dass der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann noch zusätzlich zu S21 einen viergleisigen Tiefbahnhof möchte – damit der Bahnverkehr irgendwie bewältigt werden kann. Da wird im Frühjahr 2020 bekannt, dass für S21 zu den bisherigen 60 Kilometern Tunnel mindestens weitere 20, vermutlich sogar 40 Kilometer unter Stuttgart gegraben werden (müssen). Da wird im Herbst 2020 ein lange unter Verschluss gehaltenes Gutachten des Rechnungshofs bekannt, wonach der babylonische Tiefbau in der schwäbischen Hauptstadt die Bahn selbst in ihrer Existenz als Ganzes bedroht. S21 habe, so der Rechnungshof im O-Ton, »gravierende Folgen für das Bestandsnetz«. Schlimmer noch, eigentlich unfassbar, S21 enthalte »bedeutende finanzielle Risiken für den Bundeshaushalt«.

Egal? Ganz egal? Total egal.

In diesem Zusammenhang eine kleine, dafür aber ziemlich unappetitliche Personalie: Kurz vor Weihnachten 2020 wird bekannt, dass Günther Oettinger beim Tunnelbauer Herrenknecht zum Aufsichtsrat bestellt wurde. Eine schöne Bescherung. Jener Günther Oettinger, der als baden-württembergischer Ministerpräsident das Tunnelprojekt S21 und die dazugehörende Tunnelstrecke durch die Schwäbische Alb von Wendlingen nach Ulm durchgesetzt hat – übrigens am Rande der Legalität. Dort, bei Tunnelprofiteur Herrenknecht, folgt Tunnelbohrförderer Oettinger auf einen anderen S21-Tunnel-Frontkämpfer: Ex-Bahnchef Rüdiger Grube.

Wenn man sich mit dem Bahnkonzern, Der Deutschen Bahn AG, beschäftigt, erfährt man über dieses Land Dinge, die man fürwahr nicht erwartet hat. Und schon gar nicht für möglich gehalten hat.

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