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Barrierefreiheit ist die Ausnahme!

Jede*r kennt das: Man muss mal, aber es lässt sich kein Klo finden. Höchste Pein! Noch viel schlimmer ist das für Rollstuhlfahrer*innen, die nicht irgendein Klo brauchen, sondern eins, in das sie hineinfahren können, in dem genug Platz ist. Das nennt man barrierefrei. Claudia und Bernd Hontschik haben sich früher auch nicht für barrierefreie Toiletten interessiert, bevor es sie betroffen hat. Der Normalfall, der häufigste Fall ist: Es gibt kein Klo für Rollstuhlfahrer*innen. „Kein Örtchen. Nirgends“ – so lautet auch der Titel ihres neuen Buches. Wir haben die beiden zu Hause besucht und interviewt.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Buch ausgerechnet über Toiletten zu schreiben?

CL AUDIA: Toiletten gehören zu den großen Hindernissen, Wenn man mit dem Rollstuhl unterwegs ist. Unser Alltag ist geprägt von Hindernissen. Außerhalb unserer eigenen Wohnung – manchmal empfinde ich den öffentlichen Raum geradezu als Feindesland – ist der Weg voller Hürden.

Wie macht ihr das, wenn Hindernisse auftauchen, wie geht ihr damit um?

CLAUDIA: Nach einigen misslichen Erfahrungen haben wir es uns zur Regel gemacht, dass ein Ort, den wir nicht kennen, vorher erstmal von Bernd erkundet wird. Einen Pfadfinder zu haben, empfinde ich als großes Privileg.

BERND: Wenn wir zum Beispiel in einem Restaurant verabredet sind, das wir noch nicht kennen, dann fahre ich hin, schaue mir dort den Parkplatz an und den Weg vom Parkplatz bis zum Treffpunkt. Gibt es einen ebenerdigen Zugang? Kommt man schwellenlos rein? Stehen die Tische weit genug auseinander? Sind die Tische unterfahrbar? Gibt es eine für Rollstuhlfahrer*innen geeignete Toilette? Die meisten Orte scheiden danach schon aus.

CLAUDIA: An manchen Stellen gibt es aber nur kleine Probleme, die wir managen können, weil mein Mann zum Glück viel Kraft hat: Wenn es nur einige wenige Stufen gibt, oder wenn der Eingang eine nicht zu hohe Schwelle hat, oder wenn die Türen mit automatischen Schließern versehen sind, ist das für ihn zwar ganz schön anstrengend, aber für uns machbar.

Verstehe ich das richtig: Ihr müsst also immer alles genau vorausplanen und auskundschaften? Wo bleibt da die Spontaneität?

BERND: Ganz einfach: Die bleibt auf der Strecke. Wenn die Barrierefreiheit der Normalfall wäre und die Hindernisse die Ausnahme, dann könnten wir auch wieder spontan sein. Es ist aber leider umgekehrt.

CLAUDIA: Es sind nicht nur die öffentlichen Orte wie Restaurants, in denen ich überwiegend ausgesperrt bin. Schlimmer noch ist der Ausschluss aus den meisten Wohnungen und Häusern meiner Freund*innen, die ich nicht besuchen kann. Deshalb müssen und kommen zum Glück auch immer gerne alle zu mir. Viel lieber würde ich aber öfter mal aus dem Haus gehen, selbst an anderen Orten Gast sein.

Wobei wirst du noch rausgekickt?

CLAUDIA: Ich kann nicht in Läden einkaufen, die Stufen am Eingang haben. Das ist bei uns im Viertel fast überall so. Die meisten Restaurants oder Kinos haben ganz selbstverständlich keine Rollstuhltoilette. Und Wie Soll Ich im Restaurant an Tischen sitzen, die einen Querbalken haben und deshalb nicht unterfahren werden können? Wie soll ich Straßen überqueren, wenn die Bordsteine nicht abgesenkt sind? Auf Weihnachtsmärkte, Flohmärkte, überhaupt auf Märkte gehe ich nicht mehr, weil ich immer eine Etage tiefer sitze, nichts mitkriege und dauernd angerempelt werde. Und es ist die Hölle, einen Platz mit Kopfsteinpflaster überqueren zu müssen.

BERND: Das betrifft auch mich als Rollstuhlschieber. Ich kippe den Rollstuhl dann oft etwas nach hinten, damit die kleinen harten Vorderräder von dem holprigen Boden abheben und Claudia nicht mehr ganz so heftig durchgeschüttelt wird. Das geht aber immer nur kurze Strecken, denn es ist irre anstrengend für sie und auch für mich.

CL AUDIA: Manchmal packt Bernd dabei die Wut.

Was genau macht dich so wütend?

BERND: Das passiert immer dann, wenn alles Planen und die ganze Kraft nichts nützen und wir mit Hindernissen konfrontiert werden, die wir einfach nicht überwinden können. Das macht mich verzweifelt, und es packt mich die Wut über so miserable Verhältnisse. Opfer zu sein, ist nichts für mich. Da habe ich auch schon mal Leute angeschnauzt, die gar nichts dafür konnten. Wir geben aber trotz allem nicht so schnell auf.

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