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Sinn-Funken - Ein neues Menschenbild für die Wirtschaft

Rezension zu Erich Schechner / Otto Zsok - Sinn-Funken - Ein neues Menschenbild für die Wirtschaft
EOS-Verlag, St. Ottilien 2007, 189 Seiten, € 14,80, ISBN 978-3-8306-7289-0

Gleichwohl mit einem leisen Schmunzeln wie mit einem heftigen Bedauern sei an Karl Kraus erinnert, der von einem Studenten gefragt wurde, wie er denn Wirtschaftsethik studieren könne, und geantwortet hat: "Gar nicht - sie müssen sich schon für eines von beiden entscheiden".

Dieses zynische Missverständnis spiegelt mustergültig nicht nur die Diskrepanz zwischen Ethikanspruch und Lebensvollzug wider, sondern verweist auch deutlich auf den nach wie vor gängigen Widerspruch zwischen Ökonomie und Sittlichkeit, zwischen wirtschaftlichem Tun und moralischem Wohlverhalten, zwischen Unternehmensinteressen und allgemein ethischen Wertvorstellungen. Angesichts rigoroser Gewinnmaximierungstheorien und einer maßlosen Erfolgsbesessenheit, im Blick auf die endlose Huldigung an die Egozentrizität oder Ego-Manie oder Pleonexie (Daseinsgier) des Menschen und auf einen gnadenlosen Leistungsfetischismus sowohl in der Gesellschaft als auch im gesamten Wirtschaftsbereich werden wir einer Sensibilisierung für ethische Fragestellungen absolut nicht gewahr.

Wenn aber Der Mensch definiert werden darf als wesentlich ent-scheidendes Wesen, was heißt, dass er permanent und dies täglich und sekündlich entscheiden muss, was er tut oder unterlässt oder was er wird, wenn das menschliche Leben insgesamt aus einer ununterbrochenen Abfolge von Entscheidungen besteht, dann muss durchaus die Frage sein, ob es jeweils in unser reines Belieben gestellt ist, wie wir uns entscheiden - es muss abseits reiner Willkür und Laune gefragt werden dürfen, ob es nicht doch objektive und allgemein gültige Normen, Werte, Ziele und Orientierungen gibt, die bei jeder Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind - es muss nach dem Menschenbild gefragt werden, das gesellschaftlich-wirtschaftliches Leben gestaltet und auf das die Gesellschaft und die Wirtschaftswelt zurückwirkt, prägend und belastend, destruktiv oder im besten Falle konstruktiv.

Es ist kaum hoch genug anzusetzen, wenn sich da zwei Autoren kompetent und feinsinnig auf den Weg machen, (doch noch Moral und) Sinnspuren in der Wirtschaft zu entdecken und im Wissen, wie sehr Menschenbilder den arbeitenden Menschen sowohl im Handeln als auch im Erleben - und dies in allen zwischenmenschlichen Beziehungen, in Gesellschaft und im Unternehmen - nachhaltig prägen, einen Menschen zu zeichnen versuchen, in dem sich das spezifisch Humane widerspiegelt, nämlich Geistigkeit, Freiheit, Verantwortung und eine wesentliche Orientierung auf Sinn und Wert(e) ebenso wie auf das personale Gewissen.

Die Frage nämlich, was der Mensch in seinem innersten Wesen sei, kann nicht als irrelevant abgetan und an eine Psychologie oder Anthropologie abgetreten werden, die den Menschen nur als höheres Erdenmenschentier deklariert, das nur reagiert und sich abreagiert, also eingebunden ist in ein wirkmächtiges Arsenal aus Gier, Trieben und egozentrischen Wollungen aller Art, demnach nur eine mit psychischen Funktionsmustern durchwirkte elektrochemische Substanz ist, ein von Trieben und Bedürfnissen gesteuerter und steuerbarer Reaktionsautomat, eine Marionette, gezogen an den Schnüren aus Erbgut und Umweltweinflüssen.

Dagegen steht ein Menschenbild, das in freier Entscheidungsmächtigkeit und wesenhafter Bezogenheit auf Sinn und Wert(e) hin auf sich selber einzuwirken vermag (den Bedürfnissen trotzt!) und autonom in die Welt hinein agiert, und dies alles zu verantworten hat. Eine solche Sicht Des Menschen "kann auch für eine humane Wirtschaft eingesetzt werden, um dem arbeitenden Menschen das Wesentliche zu geben, nämlich die Möglichkeit von Sinnerfüllung. Es ist ein Grundbedürfnis von uns, dieses Menschenbild in die Wirtschaft zu tragen" (S. 30).

Eine Wirtschaft, abseits von reinem Nützlichkeitsdenken und ausschließlicher (monetärer) Profitorientierung, ist nicht zu reformieren, näherhin dauerhaft, ökologisch und insbesondere menschenfreundlich weiterzuentwickeln, "ohne gesellschaftliche wie auch persönliche Veränderungen in Kauf zu nehmen" (S. 8), im Wissen darum, wie sehr Wirtschaft Gesellschaft ist und Gesellschaft immer schon mehr oder minder nachhaltig von den Prozessen des Wirtschaftsleben durchdrungen ist.
Um den einzelnen geht es also und - als sehr berechtigtes Anliegen der Autoren - darum, ein Menschenbild in die Wirtschaft zu implementieren, das Menschsein grundlegend dadurch gekennzeichnet sieht, dass es im Unterschied zum Tier die Sinnfrage stellt, sich von der Sinnfrage herausfordern lässt, Sinnerfüllung in seinem Leben sucht, wesentlich wert(e)bewusst und wert(e)fühlig ist und in seinem Gewissen stets eine Kontrolle für all sein Tun und Unterlassen erfährt.

Dem Buch von Schechner/Zsok ist eine 13-seitige Einführung mit der Überschrift "Menschenbild und Wirtschaft" vorangestellt, die als permanentes Vademecum benutzt und schon deshalb mehrmals gelesen werden sollte, weil sie in ihrer inhaltlichen Dichte das Anliegen der Autoren äußerst deutlich reflektiert und transportiert und so wertvoll ist, dass sich die nachfolgenden Seiten, wiewohl sehr gut bis brillant, "nur" noch als abundante, wenngleich durchaus notwendige Ausfältelung ihrer Gedanken geriert. "Samenkörner für Verhaltensänderungen" (S. 15) wollen die Autoren behutsam und absolut nicht indoktrinär aussäen mit dem sehr berechtigten Anliegen, "die Verantwortung für das Wachstum zum blühenden Baum" (ebd.) möge der Leser selber tragen, der sich seinerseits in drei Kapiteln über den Menschen als einem geistigen (S. 21-84), freien (S. 85-121) und verantwortlichen (S. 122- 168) Wesen informieren darf und damit konfrontiert wird, was jeweils das Geistige, was Freiheit und was Verantwortung für die Wirtschaft bedeutet.

Abseits der Orientierung des Menschen nach Macht und materiellem Reichtum, nach Lust, Geltung und Anerkennung, was alles im sog. Psychophysikum (Leib-Seele-Einheit) des Menschen verankert ist, geht es den beiden Autoren vornehmlich um die geistige Dimension des Menschen, um das ursprünglich und eigentlich Menschliche (das Humanum!), eine Sichtweise, die den Menschen als Leib-Seele-Geist-Einheit und -Ganzheit konzipiert und sich an der Logotherapie des Wiener Arzt-Philosophen Viktor E. Frankl orientiert mit dessen Axiom: "Der Mensch ist ein Wesen auf der Suche nach Sinn!"

Wenn es möglich sein könnte, dass nicht, wie in der Regel, die Wirtschaft über den Menschen dominiert und ihn in gefährliche Abhängigkeit bringt, sondern dass der Mensch instand gesetzt zu werden vermöchte, seinerseits die wirtschaftlichen Prozesse zu lenken und zu dominieren, dann kann dies nur über den "Geist" gelingen, als subtile "Urkraft" und "geistiges Ich" eine letzte und unvergängliche Wirklichkeit, die heute nur allzu wenig diskutiert und meistens verwechselt wird mit diversen Emanationen des Gehirns, mit Denken, Intellekt und Verstand.

Wie der unvergängliche, nichtsterbliche und wesenhaft das Physisch-Körperliche und auch Psychische übersteigende, wie der in der Transzendenz gründende Geist den Menschen konstituiert und auf Wirtschaft und Gesellschaft einzuwirkend vermag, so dass der Mensch jenseits rein wirtschaftlicher Zwecke und psychophysischer Bedürfnisse ernst genommen wird als zutiefst sinnsuchendes und werterorientiertes Wesen, das zeigt vornehmlich Kapitel 1 ("Der Mensch ist ein geistiges Wesen"), in Aufbau, Logik und inhaltlicher Dichte ein brillanter Essay, der seinesgleichen sucht und sich von den beiden anderen Kapiteln abhebt, die ihrerseits durchaus und eigentlich schlüssiger als Einheitskapitel hätten konzipiert werden sollen: Der Mensch ist nämlich nicht nur frei zur Verantwortung, sondern es verhält sich doch so, dass Freiheit, soll sie nicht zügellos werden, stets auf Verantwortung verweist, d.h. durch sie "eingebremst" werden muss, und dass Verantwortung nur dort ist, wo auch Freiheit vorherrscht.

In Summa: Das vorliegende Buch ist nicht nur sehr empfehlenswert, sondern fürwahr ein unabdingbares Soll für jeden, der an den vielgestaltigen "Schrauben" in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu drehen privilegiert ist. Wird das von den Autoren propagierte, an Sinn und Wert orientierte neue Menschenbild von möglichst vielen Menschen internalisiert, dann verbleibt uns doch noch die Hoffnung, den endgültig entfesselten Prometheus (Hans Jonas) mit seinen gefährlichen Kräften und mit seiner rastlosen Umtriebigkeit zügeln zu können.

© Dr. Bernhard A. Grimm, Scheyern / Web: http://www.dr-bernhard-grimm.de/

Autorenporträts:
Dr. Otto Zsok ist Institutsdirektor und fachlicher Leiter des Süddeutschen Institutes für Logotherapie, Dozent und Lehrtherapeut.
Einige seiner Veröffentlichungen:
- Logotherapie in Aktion, 2002
- Vom guten und vom bösen Menschen, 2002
- Der religiöse Urquell, 2001

Erich Schechner ist Gastdozent beim Süddeutschen Institut für Logotherapie, Betriebswirt und Ingenieur mit logotherapeutischer Ausbildung.
Einige seiner Veröffentlichungen:
- Wertorientierte Unternehmensführung, 2004
- HOMO RES SACRA HOMINI, 2004
- Die Niedergeschlagenheit des homo faber, 2006

Kontaktinformationen:
Süddeutsches Institut für Logotherapie GmbH
82256 Fürstenfeldbruck, Geschwister Scholl-Platz 8
Telefon: 08141-18041, Fax: 08141-15195
E-mail: [email protected]

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Presse: Online-Redaktion, Winfried Brumma, München
http://www.wbrnet.info/presse.html

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