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Beobachtet

Vor ein paar Tagen war der grosse Garten, den Martha mit Leidenschaft pflegte, ihr unheimlich geworden. Sobald sie darin zu arbeiten begann, fühlte sie sich beobachtet.

Aber die Ängste der Vortage waren fast vergessen, als gleissende Sonnenstrahlen die Pensionärin heute früh am Morgen weckten: Sie konnte nicht anders, der Garten lockte zu sehr.

Zuerst ging alles gut: Sie räumte im Beet nahe des Hauseingangs die vertrockneten Gräser, die den Winter über Nützlingen als schützendes Dach gedient hatten, ab. Nach etwa einer Stunde legte sie eine kurze Pause ein und stärkte sich in der Küche mit einem Glas frisch gepresstem Orangensaft. Dann, zurück im Garten, begann sie, den Boden des Kräuterbeets mit einer Harke zu lockern.

Doch plötzlich war es wieder da. Das Gefühl, beobachtet zu werden. Martha hielt inne und blickte irritiert über ihre linke Schulter – nichts. Niemand stand da, weit und breit kein Mensch.

Martha zwang sich, an etwas anderes zu denken. Sie begann, im Kräuterbeet die trockenen Überreste des vorjährigen Johanniskrauts abzuräumen. Abermals hielt sie inne – sie fühlte sich einfach beobachtet. Sich den Schweiss von der Stirn wischend blickte sie umher. Dann schüttelte sie den Kopf. «Ich spinne doch nicht, da ist niemand», sprach sie sich selber Mut zu und kniete nieder, um das Beet weiter abzuräumen. Da hörte sie plötzlich ein leises Rascheln. Martha erschrak zutiefst. Sie richtete sich kerzengerade auf und drehte sich um. Sofort sah sie, woher das Geräusch gekommen war: Eine Katze schlich geschmeidig durch die Büsche.

Martha lachte laut auf, dann atmete sie tief und erleichtert ein und arbeitete weiter. Doch nicht lange. Sie spürte es, war sich sicher: Irgendjemand sah ihr zu. Der Gedanke, dass da irgendwo, für sie nicht sichtbar, jemand war und sie beobachtete, verunsicherte sie zutiefst. Sie erhob sich und schritt zügig und entschlossen, ohne sich auch nur einmal umzublicken, zur Haustür, öffnete sie, trat ins Haus und verriegelte die Tür doppelt.

Im Garten streichelte ein laues Lüftchen die erwachende Vegetation. Emsig zwitschernde Vögel schienen die noch immer umherstreifende Katze zu verhöhnen. Neben dem Kräuterbeet, ganz in der Nähe jener Stelle, an der Martha gearbeitet hatte, durchwebte ein bläulicher Teppich den Rasen: Hunderte von Katzenäuglein blickten dort der Sonne entgegen, die schräg oberhalb des Kräuterbeets stand.

(Anmerkung: Der Gamander-Ehrenpreis wird in der Schweiz auch Katzenäuglein genannt.)



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