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Freitagspost: Wünsch dir was





9. Dezember 2016

In der jüdischen Tradition gilt ein Granatapfelbaum als ein sehr wichtiges Symbol. Die Äste sind die Träger der Wünsche. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich Etwas wünschen - meist gehe ich lieber raus und mache mir selbst meine Wünsche wahr, ohne viel Zeit mit der Träumerei zu verschwenden. 

Es war ein kalter, düsterer Tag, typisch Dezember eben und ich bin alleine durch Berlin gelaufen. TripAdvisor hatte einige Tipps für Berlin Sightseeing, was eben auch überdacht ist. So das Jüdische Museum. Ich bin vorbei an der Sicherheitskontrolle, habe meinen Ausweis als Pfand für einen Audioguide abgegeben und spanische Touristen gefragt, ob sie ein Foto von mir vor einer Kunstinstallation machen. 

Ich bin mit Tränen in den Augen durch die Gänge gelaufen, als ich hinter den Schaukästen Überbleibsel von damals angeschaut habe. Ein Handtuch, dass nie wieder zu seinem Besitzer zurück kam. Alte Fotos. Es ist schwer zu ertragen. Ich kann mir die schlimmsten Horrorfilme anschauen, doch wenn ich durch das Jüdische Museum laufe, dann möchte ich am liebsten aufschreien. Warum?

Entlang der Achse des Holocausts im neuen Gebäude laufe ich zum "Voided Void", dem Holocaust Turm. Es ist ein völlig leerer, seltsam kantiger und unbeheizter Betonschacht. Ich öffne die schwere Tür und stehe mitten im Nichts. Nur ein schmaler Schlitz lässt ganz wenig Tageslicht in den Raum. 

Diese Leere, dieses absolute Nichts. Verlust, der nie wieder zu retten ist.


Nun stehe ich vorm Granatapfelbaum. Er ist nicht echt, der Baum ist nur symbolisch. Doch mein Wunsch ist es. Während ich meinen Zettel schreibe und falte, gehe ich die Treppen hoch und suche mir einen Ast aus. Dabei lese ich die Zettel, die teilweise auf englisch und deutsch geschrieben sind. Viele wünschen sich Peace, die meisten Liebe und einige haben auch etwas persönlicheres geschrieben. Ich frage mich, ob mein Wunsch zu banal ist, ob ich da auch lieber etwas von Weltfrieden schreiben sollte oder nichts derart egoistisches. 

Ich habe mir gewünscht, endlich in diese Stadt zu ziehen. Nach Jahren des Scheiterns, misslungenen Gelegenheiten und allem, was nur so schief gehen konnte. Jetzt, in all dem Trubel, da hatte ich es schon völlig vergessen, wie ich damals diesen Wunsch auf Papier gebracht hatte. 

Es gibt einige Dinge, die kann ich mir nicht wünschen. 


Weil ich weiß, sie werden nicht wahr. Diesen Verlust werde ich immer in mir tragen. Dieses Gefühl, dass da einfach nichts ist, wo die meisten anderen etwas haben. Eine Leere, die nicht aufzufüllen ist und mit nichts aufzuwiegen ist. Ich weiß nicht, ob es etwas gibt, was jemals die Tür zu dieser "Void" aufbrechen wird, meinem ganz persönlichen Gefängnis, aus dem ich niemals ausbrechen kann, weil ich es schon immer in mir trage. 

Ich weiß nicht, ob der jüdische Granatapfelbaum die Macht hat, alle Wünsche wahr zu machen. Doch ich weiß, dass wir alle niemals aufhören sollten, an unsere Träume zu glauben.





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